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Veröffentlicht am: 10.12.2025

Lesezeit: 5 Minuten

Zielbild und Praxis: Stimmen zur Zukunft der Schulaufsicht

Mit dem im Oktober 2025 verabschiedeten Zielbild der Schulaufsicht hat die BMK einen bundesweiten Rahmen geschaffen: Haltung, Aufgaben, Kompetenzen und Instrumente sollen die Arbeit der Schulaufsicht neu definieren. Wie dieses Zielbild in der Praxis gesehen wird, zeigen erste Reaktionen: die Stuttgarter Erklärung der Konferenz der Schulaufsicht und die Stellungnahmen der Schulleitungsverbände.

Flipchart: Von Daten zu Taten. Aber wie?!
DKJS/André Forner

Schulaufsicht: Kooperation statt Kontrolle

Die Stuttgarter Erklärung der Konferenz der Schulaufsicht wurde vor dem BMK‑Beschluss veröffentlicht. Sie ist kein Gegenentwurf, sondern ein Impuls aus der Praxis, der gut an die BMK‑Themen andockt. Sie betont eine kooperative Haltung: Schulaufsicht soll nicht dominieren, sondern Schulen begleiten. „Schulaufsicht versteht sich als kritisch‑konstruktiver Partner für Schulen. Sie soll Impulse geben, aber auch zuhören und gemeinsam Lösungen entwickeln.“ Steuerung und Beratung werden als gleichwertige Aufgaben definiert. Besonders deutlich positioniert sich die Erklärung zur Digitalisierung und KI: Sie fordert ethische Leitplanken, Datenschutz und Qualifizierung. „Neben rechtlicher und fachlicher Expertise fordert die Erklärung ausdrücklich digitale Kompetenzen und den reflektierten Umgang mit KI.“ Damit ergänzt sie das BMK‑Papier um konkrete Leitplanken, wo dieses eher abstrakt bleibt.

Schulleitungen: Gemeinsame Verantwortung vs. Doppelzuständigkeiten

Die Reaktionen der Schulleitungsverbände fallen differenziert aus. Der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschlands (ASD) begrüßt die Anerkennung der Schulaufsicht als gestaltendes Führungsfeld, warnt aber vor zusätzlicher Bürokratie und fordert klare Standards sowie ausreichende personelle und technische Ressourcen. „Die BMK macht deutlich: Schulaufsicht ist mehr als Kontrolle. Sie soll Schulen beraten, unterstützen und gemeinsam Verantwortung für gute Bildung übernehmen. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt.“ Gleichzeitig mahnt der Verband: „Wir brauchen verbindliche Standards, einen realistischen Zeitplan, ausreichende Ressourcen und eine Schulaufsicht, die Partnerin – nicht nur Prüfinstanz – der Schulen ist.“

„Wir brauchen verbindliche Standards, einen realistischen Zeitplan, ausreichende Ressourcen und eine Schulaufsicht, die Partnerin – nicht nur Prüfinstanz – der Schulen ist.“

Allgemeiner Schulleitungsverband Deutschlands
Reaktion auf das BMK-Zielbild zur Rolle und Arbeit der Schulaufsicht

Die Bundesdirektorenkonferenz Gymnasien (BDK) sieht den Beschluss kritisch: Sie befürchtet eine Einschränkung der Eigenverantwortung der Schulen und warnt vor Doppelstrukturen. Schulaufsicht solle vor allem rechtlich und organisatorisch beraten, nicht hierarchisch steuern. „Die zentrale Verantwortung für Schulentwicklung stärker bei der Schulaufsicht zu verorten, gefährdet die Eigenverantwortung der Schulen und führt zu Doppelzuständigkeiten sowie ineffizienten Arbeitsabläufen.“

Elternvertretung: Späte Weichenstellung

Der Landeselternrat Niedersachsen (LER) begrüßt zwar grundsätzlich, dass die Bildungsministerkonferenz sich mit der Schulaufsicht auseinandersetzt, kritisiert jedoch, dass das BMK-Zielbild erst spät komme und inhaltlich zu zögerlich sei. Es fehle ein deutliches Bekenntnis zur wirksamen Steuerung und zur Daten- und Qualitätsentwicklung. Der LER verweist auf besorgniserregende IQB-Ergebnisse (z. B. bis zu 37 Prozent minderqualifizierte Neuntklässler:innen), die zeigen, dass Schulen längst Unterstützung brauchen – und zwar ressourcenbasiert und datenbasiert. „Die Angst, den Schulen eine echte Autorität zuzumuten, war offenbar größer als der Wille zur wirksamen Steuerung.“

„Die Angst, den Schulen eine echte Autorität zuzumuten, war offenbar größer als der Wille zur wirksamen Steuerung.“

Landeselternrat Niedersachsen
Reaktion auf das BMK-Zielbild zur Rolle und Arbeit der Schulaufsicht

Außerdem fordert der Elternrat einen Kulturwandel hin zu einer datengestützten Qualitätsentwicklung – nicht als Kontrolle, sondern als notwendiges Mittel, damit Schulen ihren Bildungsauftrag erfüllen können.

Eigenverantwortung und neue Steuerungsrolle: Ergänzung statt Gegensatz

Die Sorge der BDK vor dem Verlust der Eigenverantwortung der Schulen durch die neue Rolle der Schulaufsicht scheint zu kurz gedacht. Im besten Fall entsteht mehr Kohärenz im Bildungssystem. Denn Eigenverantwortung braucht klare Rahmenbedingungen und abgestimmte Prozesse. Schulaufsicht kann hier als Moderatorin und Unterstützerin wirken und transparente Zielvereinbarungen und datengestützte Analysen fördern Qualität, wenn sie dialogisch umgesetzt werden. Auch internationale Beispiele zeigen: Autonomie und externe Begleitung können gemeinsam zu besseren Ergebnissen führen. Das Zielbild kann helfen, Zuständigkeiten zu klären und Doppelstrukturen zu vermeiden.

Das BMK‑Zielbild ist ein wichtiger Schritt, aber die Reaktionen zeigen: Die Erwartungen sind hoch und die Interpretationen unterschiedlich. Der ASD sieht Chancen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, fordert aber verbindliche Standards, Zeitpläne und Ressourcen. Die BDK warnt vor einer Einschränkung der Eigenverantwortung, obwohl Steuerung und Autonomie sich im besten Fall ergänzen können – für mehr Kohärenz im System. Der LER kritisiert den späten Zeitpunkt und mangelnden Mut zu klarer Steuerung und datengestützter Qualitätsentwicklung. Gemeinsam wird deutlich: Das Zielbild darf kein Papier bleiben, sondern muss mit Leben gefüllt werden. Es braucht klare Rollen, verbindliche Umsetzungsschritte, digitale Kompetenz und Ressourcen, damit aus Anspruch Realität wird – und Schulen nicht zwischen Kontrolle und Überforderung geraten, sondern echte Unterstützung erfahren.

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