Erst Corona-Pandemie, dann plötzlich Krieg in Europa – gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen ist Resilienz wichtiger denn je. Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen und ist unerlässlich, um schwierige Situationen im Leben, aber auch speziell in der Schule, bewältigen zu können. Doch durch welche Aspekte zeichnet sich diese Fähigkeit genau aus? Und wie kann sie insbesondere bei Schülerinnen und Schülern gestärkt werden? Diesen Fragen ging die Sonderpädagogin Kerstin Machel im Mikro-Impuls auf den Grund und gab den Teilnehmenden neben fachlichen Anregungen zu neurobiologischen Hintergründen auch einige praktische Übungen für die Gestaltung von Schulalltag und Unterricht mit an die Hand.

Allen Widrigkeiten zum Trotz: Von der Komfortzone ins Wachstum

Den Begriff der Resilienz definiert die Impulsgeberin als „die innere Stärke, um trotz widriger Umstände und Herausforderungen immer wieder ohne Schaden in eine gesunde Balance zurückkommen”. Dabei gehe es nicht darum, schwierige Situationen zu meiden, sondern vielmehr um die Frage, wie mit ihnen umgegangen werden kann. Am Beispiel gefalteter Hände illustrierte Machel daher, wie uns bereits kleine Veränderungen aus unserer Komfortzone herausholen können: werden wir aufgefordert unsere Hände andersherum zu falten, als wir es gewohnt sind, kann sich das seltsam und falsch anfühlen. Aber gerade diese herausfordernden Situationen seien es, die neue Erfahrungen und damit auch Wachstum ermöglichen. Ein erster Schritt zur Förderung von Resilienz ist es also, diese Mechanismen und Gefühle zu verstehen. Dazu zählt insbesondere auch die Wahrnehmung von Überforderung, die der Referentin zufolge meist schon durch einen kleinen Perspektivwechsel oder eine veränderte Haltung aufgelöst werden kann.

Die Schlüssel für Entwicklung von Resilienz

Wenn es um die Entwicklung innerer Widerstandsfähigkeit geht, werden in der Literatur häufig die sieben Schlüssel bzw. Säulen der Resilienz genannt. Mit Blick auf die Resilienzförderung bei Schülerinnen und Schülern, stellte die Referentin insbesondere die letzten drei Schlüssel heraus: Selbstwirksamkeit, Akzeptanz und Optimismus. So seien etwa klar abgegrenzte Verantwortungsbereiche und Gelegenheiten der Mitbestimmung essenziell für die Resilienzentwicklung von Lernenden. Zum Erleben von Selbstwirksamkeit gehöre aber auch, Kinder „in ihren Entscheidungen zu begleiten, anstatt sie von vornherein in eine Richtung lenken zu wollen”, so Machel. Auch die Akzeptanz sei ein wichtiger Baustein zur Bewältigung von Herausforderungen. Lehrkräften rät die Sonderpädagogin deshalb dazu, eine Haltung einzunehmen, welche die Fähigkeit zur Akzeptanz fördert: statt ein:er Schüler:in beispielsweise Vorwürfe für eine schlechte Note zu machen, sei es pädagogisch sinnvoller, zu vermitteln, dass ein Tiefschlag als wichtige Lernerfahrung angenommen werden sollte, es aber immer auch Chancen zu Verbesserung gibt. Nicht zuletzt, gehöre auch ein gesunder Optimismus zu den wesentlichen Stellschrauben von Resilienz. Um den Fokus auf das Positive zu lenken, können etwa Glücks- oder Dankbarkeitstagebücher eingesetzt werden. Aber auch die Einstellung der Pädagog:innen ist entscheidend. Denn: „Kinder brauchen positiv gestimmte Begleiter”, appellierte die Impulsgeberin. 

Lächeln bitte: Den inneren Zustand verstehen und gezielt verändern

Anhand des „Reaktionsmodells des Gehirns”, welches von Simone Kriebs entwickelt wurde, erläuterte Machel außerdem, welche Prozesse im Gehirn ablaufen, wenn eine Situation eintritt, die entweder als positiv oder negativ bewertet wird. Hier wurde deutlich, dass im Schulkontext häufig nur auf Gefühlsreaktionen wie Flucht oder Angriff reagiert wird. Viel wichtiger sei es der Referentin zufolge jedoch, schon von vornherein Situationen zu schaffen, in denen sich Kinder angenommen fühlen und Übungen zu etablieren, die ihnen helfen, zur Ruhe zu kommen. Hierzu gehören Praktiken auf allen drei Ebenen des inneren Zustands: der körperlichen, emotionalen und mentalen Ebene. Neben einer aufrechten Körperhaltung bieten sich auch Atemübungen und Powerposen für Körperübungen an, während das gern vernachlässigte, bewusste Lächeln laut Machel ebenfalls einen beträchtlichen Einfluss auf unser Wahrnehmen und Erleben hat. Daneben empfiehlt die Pädagogin für die mentale und emotionale Ebene Meditationen und Achtsamkeitsübungen sowie den Einsatz von Musik und die Ritualisierung von Komplimenten (z.B. durch einen Komplimente-Thron).

Einfach machen - Neues wagen

Die zwei unverzichtbaren Grundbedingungen sowie die „Anstoßkugel”, um Resilienzförderung in Schule gelingend umzusetzen, fasste Frau Machel zum Abschluss wie folgt zusammen: 

Selbstfürsorge – Nur wenn es Ihnen gut geht/ Sie sich gut um sich selbst kümmern, können Sie letztlich ein Vorbild für andere sein und bspw. Resilienzübungen vorleben. 
Die sieben Säulen der Resilienz – Zukunfts-, Lösungs- und Netzwerkorientierung, Eigenverantwortung, Optimus, Akzeptanz und Selbstwirksamkeit. Besonders die letzten drei Säulen sind besonders gut auch auf Kinder und Jugendliche übertragbar. 
Fexibilität bzw. Bereitschaft – Anstoß kann es sein, Gewohnheiten zu ändern, neue Dinge auszuprobieren und den Mut zu haben „einfach mal zu machen“. 

Wer seinen Schüler:innen wertvolle Ressourcen für ein selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Leben –  über das reine Schulwissen hinaus – mit auf den Weg geben möchte, sollte also zunächst bei sich selbst anfangen und die vielfältigen Ansatzpunkte zur Entwicklung der eigenen Resilienz erproben. Nur dann können diese in den Unterrichtsalltag integriert werden. 

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