Jede Schule ist ein eigenes soziales System. Was einfach klingt, ist eine Perspektive mit umfangreichen Folgen: für das Verständnis von Schulentwicklung, für die Rollen von Schulleitung und Schulaufsicht und für ihre Zusammenarbeit. Denn in der Systemtheorie gilt die Annahme, dass nur Akteure innerhalb eines sozialen Systems dieses selbst steuern oder verändern können. Externe Personen, Organisationen oder Einflüsse stellen lediglich einen Kontext her. Interne und externe Beteiligte stehen miteinander im Austausch und beeinflussen sich gegenseitig. Die Gestaltung des Systems erfolgt jedoch ausschließlich von innen.

Schulaufsicht und das System Schule

Führt der Begriff der „Steuerungsebene Schulaufsicht“ also in die Irre, weil Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamte als Externe das System Schule gar nicht steuern können? Wie verträgt sich eine solche Überlegung mit der Funktion als Dienstvorgesetzte der Schulleitungen und den Rollen der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht über die Schulen? Schließlich gehört es gerade zu den Aufgaben der Schulaufsicht, die Umsetzung von Vorgaben zu überprüfen, die schulische Praxis von außen zu bewerten und Weisungen zu erteilen, um erkannte Mängel abzustellen. 

Der Ansatz der Kontextsteuerung lässt sich anhand der folgenden Annahmen verdeutlichen: Auch sehr konkrete Einzelweisungen der Vorgesetzten führen nicht automatisch zu Veränderungen in der Schule, sondern bedürfen einer Übersetzung in das System Schule. Die Schulaufsicht steuert auch mit konkreten Weisungen „nur“ den Kontext, in dem die Schule agiert. Mit anderen Worten: die Umwelt des Systems. Hierfür hat sie zahlreiche Möglichkeiten, etwa Schulentwicklungsgespräche, Zielvereinbarungen, je nach Land auch Ressourcenzuweisungen oder Qualifizierungsangebote. Richtig eingesetzt können solche Instrumente Schulentwicklungsprozesse unterstützen.

Angesichts der Vielfalt und Fülle der Aufgaben von Schulaufsichtsbeamten ist es wichtig, sich die Grenzen dieser Instrumente bewusst zu machen. Folgt man der systemischen Perspektive, können Mitarbeitende der Schulaufsicht die Schulentwicklung weder initiieren noch direkt gestalten. Ansätze, die auf die inneren Entwicklungskräfte der Schulen abzielen, sind demnach aussichtsreicher und effizienter als Vorgaben und Instruktionen. Umso wichtiger sind die Auswahl und Qualifizierung von Schulleitungen sowie die fortlaufende Zusammenarbeit mit ihnen. Diese Überlegungen haben sich in den Aufgabenprofilen von Schulaufsicht niedergeschlagen.

Zusammenarbeit von Schulaufsicht und Schulleitung

In vielen Ländern ist die Beratung von Schulleitungen zu Fragen der Schulentwicklung fest im Aufgabenprofil der Schulaufsicht verankert. Diese Beratungsrolle ergänzt die Führungsrolle gegenüber der Schulleitung. Wichtig ist, diese beiden Rollen klar zu unterscheiden. Beratung ist ein freiwilliger Prozess, der durch die Schulleitung nachgefragt oder von der Schulaufsicht angeboten und von der Schulleitung angenommen wird. Die Führung der Schulleitung durch die Schulaufsicht ist hingegen obligatorisch: Sie ergibt sich aus der Organisationsstruktur der Schulverwaltung und ihren gesetzlichen Grundlagen.

Wenn diese unterschiedlichen Rollen aktiv thematisiert werden, können Schulleitungen die Beratung durch die Schulaufsicht besser annehmen. Es muss klar sein, in welcher Situation Schulaufsicht und Schulleitungen als Vorgesetzte und Mitarbeitende oder als Beratende und Beratene zusammenarbeiten.

Um erfolgreich beraten zu können, benötigen Mitarbeitende der Schulaufsicht neben Rollenklarheit und -transparenz auch das entsprechende Handwerkszeug. Im Rahmen von „LiGa – Lernen im Ganztag“ haben in mehreren Bundesländern Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamte an Qualifizierungen zu systemischer Beratung teilgenommen.

  • Erscheinungsdatum: 14.05.2020
  • LiGa
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