Teilhabe durch Mitbestimmung

Kinder und Jugendliche möchten sich einbringen und beteiligt werden. Der erste Schritt auf dem Weg zur Teilhabe ist Mitbestimmung. Diese ist an Schulen längst nicht die Regel. Die 4. World Vision Studie „Kinder in der Welt 2018“ kommt zu dem Ergebnis, dass in der Schule die Mitbestimmungsmöglichkeiten weitaus geringer sind als in anderen Lebensbereichen. So haben nur 32 Prozent der 9- bis 13-Jährigen den Eindruck, dass ihre Klassenleitung Wert auf ihre Meinung legt. 

Gutes Schulklima 

Selbstbestimmungsmöglichkeiten und Schulleistungen hängen miteinander zusammen: Je selbstbestimmter sie sich selbst erleben, umso eher bezeichnen sie sich in dieser Studie als gute oder sehr gute Schülerinnen und Schüler. Die Perspektiven und Ideen der Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen, sie zu aktiver Mitwirkung zu ermutigen und in Entscheidungen einzubinden, sorgt für eine bessere Qualität der Schule. Die Teilhabe von Schülerinnen und Schülern schafft mehr Transparenz, fördert eine positive Kultur des Miteinanders von Lehrkräften und Kindern und Jugendlichen und schafft damit ein gutes Schulklima. 

Voraussetzung dafür ist, dass diejenigen, die Partizipation ermöglichen sollen, diese auch selbst erfahren. Das kann für die Schulkultur einen großen Umbruch, aber auch Gewinn bedeuten. Eine gute Möglichkeit für eine aktive Schülerbeteiligung ist zum Beispiel die Einführung eines Klassenrates. Dort erhalten Schülerinnen und Schüler die Chance, Verantwortung und Beteiligung im sozialen Miteinander zu erlernen und Selbstwirksamkeit zu erfahren.

Blick in die Praxis

Schülerorientierung spiegelt sich jedoch nicht nur im Schulleben wider, sondern auch im Unterricht. Ein Beispiel dafür bietet das hessische Goethe-Gymnasium Bensheim. Die Schule hat im Rahmen des Programms „LiGa – Lernen im Ganztag“ das selbstorganisierte Lernen der Schülerinnen und Schüler weiterentwickelt. Denn: „In einer sich wandelnden Gesellschaft sind überfachliche Qualifikationen – wie Selbstorganisation – in Hinsicht auf ein lebenslanges Lernen von entscheidender Bedeutung", sagt Nicole Guthier, Mitglied der Schulleitung und Leitung des Ganztags. Deshalb sollen die Schüler und Schülerinnen von der 5. Klasse an lernen, Themen selbständig zu wählen, sich anzueignen und ihre Präsentation durch eine hohe Methodenvielfalt aufzubereiten und zu veranschaulichen. 

Das Konzept „Lernen mit Organisation und Strategie“ (LOS) besteht aus drei überfachlichen Modulen, die je nach Jahrgangsstufe unterschiedliche Schwerpunkte zum Thema haben. So lernen die Fünftklässler beispielsweise, wie sie sich für schulische Aufgaben motivieren können und wie sie sich eigene, schulische Ziele stecken und diese planerisch umsetzen. Darauf aufbauend erlernen sie in Klasse 6, wie man im Team effizient und sinnvoll zusammenarbeitet. Auch visualisieren sie ihre Ergebnisse auf Lernplakaten, werten in Gruppenarbeiten die Erkenntnisse aus und reflektieren über weitere Schritte. In den folgenden Schuljahren kommen Bausteine wie „Freies Präsentieren“, Recherche, Methoden und verschiedene Präsentationsformen für die Visualisierung ihrer Ergebnisse hinzu. Die Besonderheit der unterschiedlichen Lernmodule liegt darin, dass die Methoden und Strategien nicht isoliert als ein „Fach“ unterrichtet werden, sondern immer direkt fächerübergreifend in den Unterricht eingebracht werden und zur Anwendung kommen. Mit Hilfe der schrittweise erlernten Muster von Abläufen werden die Schülerinnen und Schüler befähigt, nach und nach ihren Unterricht weitestgehend selbst zu organisieren und zu entwickeln. 

Lerngelegenheiten für Lehrkräfte

Wenn die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern das pädagogische Handeln leiten sollen, dürfen die Lehrkräfte nicht aus dem Blick geraten. Das beständige Lernen und die Weiterentwicklung von Pädagoginnen und Pädagogen drehen sich um den konkreten Unterricht. Das geschieht vor allem in der Schule selbst. Daher ist es die Aufgabe der schulischen Führungskräfte, strukturierte Lerngelegenheiten für Lehrkräfte an der Schule zu ermöglichen und zu koordinieren. Das können kollegiale Hospitationen, Tandemarbeit, schulinterne Fortbildungen oder Arbeitsgruppen zum Thema Unterrichtsentwicklung sein. 

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