© Dziak-Mahler/Hemker 2015

Für die Bildungsexpertin Myrle Dziak-Mahler ist die Bewertung individueller Situationen der entscheidende Schlüssel, um Verhaltensweisen zu steuern. Führungskräfte wie Schulaufsichten und Schulleitungen müssen in ihrem Berufsalltag auf unterschiedlichen Handlungsstufen agieren: 

  1. Aufgaben 
  2. Herausforderungen 
  3. Probleme 
  4. Krisen 
  5. Katastrophen 

Auf welcher Stufe die Situation von der Führungskraft eingeordnet wird, bestimme maßgeblich ihr Handeln. „Bewerten wir eine Nachricht als machbare Aufgabe, fällt unsere Reaktion und Lösungsstrategie oft anders aus, als wenn wir darin ein Problem oder gar eine Krise sehen“, erläutert Myrle Dziak-Mahler. Sie rät daher zum „Bewertungsdetox“. Dabei komme es darauf an, nicht vorschnell und ständig zu bewerten. Die Aufgabe von Führungskräften sei es, eine neutrale Haltung – wie die eines Naturforschers – einzunehmen. Sie lädt dazu ein, diese Verhaltensübung in kleinen Schritten mit 90 Minuten am Tag zu beginnen. Dabei sei es wichtig, keine Urteile über Mitmenschen – wie Kolleg:innen, Vorgesetzte, Eltern oder Schüler:innen – zu fällen. Sich selbst zu steuern, sei dabei die größte Herausforderung. 

Neue Situationen erfordern neue Lösungen 

Gerade in herausfordernden Zeiten gilt es, alte Pfade zu verlassen. Dafür seien nicht nur Umwege, sondern neue Lösungsstrategien nötig. Alte und bewährte Urteile müssen über Bord geworfen werden, betont Myrle Dziak-Mahler. Dafür müssten bewährte Verhaltens- und Handlungsmuster überdacht und gegebenenfalls völlig neu eingeübt werden. Diese Veränderungsprozesse können bei den Mitarbeitenden Unsicherheit und Angst auslösen. Führungskräfte sollten besonders in solchen Phasen Orientierung und Halt geben. 

Zukunftsorientierung gibt Halt 

Um zu verdeutlichen, worauf es dabei ankommt, nutzt Myrle Dziak-Mahler eine Metapher aus der Seefahrt: Wie Kapitän:innen im Sturm müssten Schulleitungen und andere Führungskräfte besonders in schweren Zeiten Präsenz zeigen. Gleichzeitig sei es wichtig, den Mitarbeitenden genügend Freiräume zu geben und noch mehr loszulassen. Dann könnten sich auch Kreativität entfalten und innovative Lösungen gefunden werden. Oft helfe der Blick Richtung Horizont. Führungskräfte sollten mit ihren Mitarbeitenden einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft werfen: „Lasst uns gemeinsam überlegen, wie unsere Zukunft aussehen kann. Was können wir für Learnings aus dieser Krise mitnehmen?“ Daraus kann ein positives Bild entstehen, das Kraft und Zuversicht gibt. 

Glaubwürdigkeit und Vertrauen als Schlüssel 

Die Kommunikation im Team und mit den Kolleg:innen ist besonders in Veränderungsprozessen elementar. Ziel sei es, um bei der Metapher zu bleiben, alle sicher durch die Unwetter zu führen und niemanden im Sturm zu verlieren. Das könne nur durch eine vertrauensvolle Basis gelingen. Glaubwürdigkeit ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dafür müssen die Aussagen der Führungskraft mit ihrem Handeln übereinstimmen. 

Außerdem brauche es gegenseitiges Vertrauen. Aber wie gelingt das? Myrle Dziak-Mahler hat eine simple Strategie: „Zuhören, um zu verstehen – nicht um zu antworten!“ Erst wenn es gelingt, sich in die Rolle des anderen hineinzuversetzen und die Argumente nachzuvollziehen, wird einem selbst Vertrauen entgegengebracht. 

Myrle Dziak-Mahler fasst die Gelingensbedingungen für eine vertrauensbildende Haltung so zusammen: 

  • Akzeptanz des/der Anderen (in seiner/ihrer Professionalität) 
  • Emotionalität aushalten, Verständnis aufbringen (Empathie)  
  • Fehler eingestehen (Führungskräfte dürfen auch um Hilfe bitten) 
  • Prozess-Infos (Transparenz schafft Akzeptanz) 
  • Ankündigungen 
  • in den Dialog treten 
  • Wertschätzung des Bisherigen, Wertschätzung des/der Anderen 
  • lernen = besser machen 
  • Entschuldigen! Fehler dürfen nicht nur sein – sie müssen sein! 

Das Vier-gewinnt-Modell für gute Zusammenarbeit 

Um gute Zusammenarbeit und kompetenzorientierte Führung zu veranschaulichen, hat Myrle Dziak-Mahler am Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) der Universität zu Köln das Vier-gewinnt-Organisationsmodell entwickelt.

 

  • (Eigen-)Verantwortung: Entscheidung da treffen, wo die Expertise sitzt, loslassen können, kein Mikromanagement 
  • Augenhöhe: Voraussetzung für Verantwortung, jede Perspektive wird gehört, unabhängig von Berufserfahrung und Rang, kann nur von oben nach unten hergestellt werden 
  • Partizipation: Formate und Strukturen schaffen, die echte Beteiligung ermöglichen 
  • Transparenz: Voraussetzung für Partizipation, Wissen teilen und verbreiten  

Vertrauen ist dabei einerseits die Basis – andererseits sorgt die Umsetzung der vier Aspekte dafür, Vertrauen zu schaffen. 

Weitere Informationen zum Vier-gewinnt-Modell: ZfL - Zentrum für LehrerInnenbildung 

Zur Person:

Myrle Dziak-Mahler ist Bildungsexpertin im Bereich zukunftsfähige Transformation des Bildungssystems. Nachdem sie viele Jahre selbst als Lehrerin tätig war, leitete sie zehn Jahre das Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) an der Uni Köln. Seit 2021 ist sie Kanzlerin der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft und Geschäftsführerin der Alanus Hochschule gGmbH. 

Creative Commons BY-SA 4.0

Dieser Artikel wird unter der Creative Commons-Lizenz „Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)“ veröffentlicht. Weitere Informationen: Creative Commons Lizenz