Mathias Magdowski ist Dozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seine Perspektive auf das Thema alternative Prüfungsformate bietet auch für die Schulpraxis zahlreiche interessante Ansatzpunkte.
Zeitgemäßes Prüfen: Mehr als Internet
Auch an deutschen Hochschulen und Universitäten fungierte die Corona-Pandemie als Katalysator für neue Formen der Lehre, während auch viele Prüfungen zwangsläufig online erfolgten. Dem Impulsgeber zufolge geht das Online-Prüfen allerdings über den Einsatz des Internets hinaus. Denn, so Magdowski, „antiquierte Prüfungsformate ins Digitale zu überführen, funktioniert nur bedingt”. Vielmehr gehe es im Hinblick auf eine zeitgemäße Prüfungskultur um die Frage, was mit Prüfungen eigentlich erreicht werden soll. Dabei stellen aktuelle Anforderungen in der alltäglichen Berufs- und Lebensrealität ein Festhalten am „isolierten Bearbeiten von Aufgaben” genauso infrage, wie etwa eine fehlende Berücksichtigung von Schlüsselkompetenzen und ein übermäßiges Überwachen des Prüfprozesses. Als Ausgangspunkt für die Erstellung alternativer Prüfungsformate rät Magdowski dazu, zunächst den Zweck und die Ziele des Prüfens in den Blick zu nehmen. Dadurch könnten neben dem altbewährten „Das haben wir schon immer so gemacht” und der grundsätzlichen Notwendigkeit von Bewertung und Benotung auch verstärkt die Möglichkeiten zu Feedback und der Evaluation des Lernprozesses beleuchtet werden.
Herausforderungen meistern – Chancen erkennen
Ausgehend von Ziel und Zweck der Prüfung könne sich dem Referent zufolge dann eher der Umsetzungsfrage gewidmet werden. Dabei sei die notwendige Passung von Lernmethode und Lernziel(en) nicht zu verkennen. Auch die Anzahl der Lernenden und die Sicherstellung, dass die Eigenleistung der richtigen Person geprüft wird, sind Magdowski zufolge für die Wahl eines alternativen Prüfungsformats entscheidend. Zudem seien Aspekte des Datenschutzes, der Rechtssicherheit, Transparenz, Chancengleichheit und Verfügbarkeit zu berücksichtigen. Im Kontext von Online-Prüfungen spielt auch der Umgang mit spezifischen Risiken, wie etwa möglichen Plagiaten, eine zentrale Rolle. Der Austausch zwischen Lernenden während der Prüfung gehört laut Magdowski jedoch nicht dazu – immerhin sei Austausch in der Berufswelt etwas Selbstverständliches und werde in Prüfungen nur künstlich unterbunden. Kommunikation und Kollaboration wertet Magdowski vielmehr als eine der zahlreichen Chancen, die es zu erkennen gelte. Dazu gehört auch der Fokus auf dem Lernen als Prozess statt des Bewertens eines Ergebnisses oder Produktes. Ebenfalls zu berücksichtigen seien die Möglichkeiten der Barrierefreiheit (durch z.B. Vorlesefunktionen), die Schwerpunktlegung auf Feedback statt reiner Benotung und nicht zuletzt auch die grundsätzliche Auseinandersetzung mit einer alternativen Lehr- und Lernkultur.
Praxisbeispiele: Erprobte Alternativen
Wer diese Chancen erkennt und Herausforderungen meistert, kann gute Prüfungsformate konzipieren, die sich dem Impulsgeber zufolge durch „authentische, praxisrelevante, zeitgemäße und kompetenzorientierte Aufgaben” auszeichnen. Wie diese genau gestaltet werden können, zeigte sich an einigen Praxisbeispielen, die an der Universität Magdeburg bereits erfolgreich erprobt wurden. Hierzu gehört etwa die Open-Book-Prüfung, die den Lernenden die Nutzung von Hilfsmitteln, wie Büchern, eigene Seminaraufzeichnungen und dem Handy erlaubt. Dies ist sowohl online als auch in Präsenz umsetzbar – wobei jedoch individualisierte Aufgaben verwendet wurden, um die Authentizität der Leistungen zu gewährleisten. Zur Generierung von Aufgaben empfiehlt Magdowski das „muntere Prüfungsaufgaben-Brainstorming”, im Rahmen dessen Lernende selbst Aufgaben und passende Lösungen entwickeln. Eine weitere Möglichkeit stellt die Integration von Gruppenphasen dar, in denen Lernende miteinander kooperieren müssen. Auch das gegenseitige Begutachten von Prüfungsleistungen in sogenannten „Peer Reviews” sowie das Tauschen und anschließende Weiterentwickeln von Lösungen in „Peer Exams” haben sich in der Universitätspraxis als erfolgreich erwiesen. Für Online-Lernstandskontrollen empfiehlt der Referent das Online-Werkzeug H5P – zur Erstellung interaktiver Aufgaben – sowie medienbezogene Formate zur kompetenzorientierten Wiedergabe von fachlichen Inhalten und Lösungsprozessen, wie etwa die Erstellung von Videos, Blogartikeln oder Twitter-Beiträgen.
Mut zur Veränderung
Die zwei unverzichtbaren Grundbedingungen und „Anstoßkugeln”, um alternative Prüfungsformate in Schule gelingend umzusetzen, fasste Mathias Magdowski zum Abschluss wie folgt zusammen:
- Rechtssicherheit und Datenschutz. Beide Punkte sind nicht zu unterschätzen, sollten aber dennoch nicht automatisch als Blockaden oder Hindernisse wahrgenommen werden.
- Zeit für die Planung, Umsetzung und Reflexion. Wer im Arbeitsalltag zu sehr eingespannt ist, hat keine (geistige) Kapazität zum Denken und Umsetzen alternativer Formate.
- Haltung und Willen etwas verändern und transformieren zu wollen sowie einen sich bietenden Impuls – wie bspw. die Pandemie – zu nutzen, um einfach zu beginnen
Gerade Letzteres wurde auch in der abschließenden Diskussion zwischen den Teilnehmenden als zentral herausgestellt. Denn, auch wenn am Ende eines Schuljahres und/ oder einer Schullaufbahn (leider) nach wie vor traditionelle Prüfungen zum Einsatz kommen, lohnt es sich, anzufangen und Dinge im eigenen Kontext zu verändern – so der Konsens. Veränderung ist ein Prozess und erfordert Mut und Kraft, um die Kugel an der ein oder anderen Stelle ins Schwingen zu bringen. Daher müssten Schulen ihren eigenen Weg gehen, Neues ausprobieren, evaluieren und gute Praxis sichtbar machen.
Der aufgezeichnete Impuls von Mathias Magdowski steht unter diesem Link auf YouTube zur Verfügung.