Vom Aufbau neuer digitaler Strukturen bis hin zur Einführung von Lernzeiten: Wenn Schulen sich weiterentwickeln finden Veränderungsprozesse statt. Das ganze Kollegium gut mitzunehmen, kann dabei sehr herausfordernd sein. Die Kurve der Veränderung hilft, die Reaktionen zu verstehen und einzuordnen. Sie beschreibt sieben Phasen, die Menschen bei abrupten Veränderungen durchleben. 

Wie schulische Führungskräfte in diesen Phasen auf die emotionalen Dynamiken reagieren können, zeigt die folgende Übersicht des Prozessmoderators und Systemischen Coaches Andreas Leipelt:

Wirksames Leitungshandeln in den sieben Phasen der Veränderung

Phase 1: Schock

Phänomen: 
die (subjektiv) wahrgenommene Kompetenz sinkt stark und schnell

Erklärung/Erkenntnis: 
Keine Problemlösungsstrategie greift. Die Kolleginnen und Kollegen sind erschrocken, geschockt und überrascht – die Situation ist geprägt von Angst und Unverständnis. 
Doch die „Schockphase“ ist rasch vorüber.

Ideen für wirksames Leitungshandeln:

  • zeitnah über die Veränderung und ihre Wurzeln informieren
  • ein Problembewusstsein bilden, indem die Ausgangslage des Veränderungsvorhabens transparent gemacht und geklärt wird
  • Relevanz der Veränderung eindringlich verdeutlichen
  • authentisch veranschaulichen, dass die Leitung/die Verantwortlichen hinter der Veränderung stehen
     

Phase 2: Ablehnung

Phänomen: 
die (subjektiv) wahrgenommene Kompetenz steigt stark und schnell

Erklärung/Erkenntnis: 
Überhöhte Einschätzung der eigenen Kompetenz, Verdrängung und Projektion des Problems.
Die Gefühle in dieser Phase sind besonders stark: Wut, Ärger, Frust, aber auch Unbehagen machen sich Luft in sehr emotionalen Abwehrreaktionen.

Ideen für wirksames Leitungshandeln:

  • den Unmut gelassen aushalten (das kann so weit gehen, sich auch mal anschreien zu lassen – aber nehmen Sie es auf keinen Fall persönlich!)
  • das Verhalten nicht negativ bewerten und zugewandt bleiben
  • die Ängste und Sorgen ernst nehmen
  • auf Empfang schalten und wirklich zuhören

Phase 3: rationale Einsicht

Phänomen:
die (subjektiv) wahrgenommene Kompetenz sinkt langsam 

Erklärung/Erkenntnis:
Bisher angewandte Methoden funktionieren nicht mehr. Veränderungen sind unausweichlich. 
Frust macht sich breit, vor allem ausgelöst durch das ungute Gefühl, dass die bisherige Arbeit nicht gut gewesen sei.

Ideen für wirksames Leitungshandeln:

  • am Ziel des Veränderungsvorhabens festhalten
  • bzgl. der Art und Weise der Umsetzung partizipativ und flexibel sein
  • weiterhin vor allem verständnisvoll sein
  • Kolleginnen und Kollegen stärken, die erste Schritte machen wollen
     

Phase 4: emotionale Akzeptanz

Phänomen:
die (subjektiv) wahrgenommene Kompetenz ist „am Boden“

Erklärung/Erkenntnis:
Loslassen von alten Gewohnheiten, Strategien und Methoden.
Die Emotionen in dieser Phase werden oft nicht besonders laut geäußert, gehen aber umso tiefer: Unsicherheit, Ratlosigkeit, Angst, Trauer oder Resignation sorgen dafür, dass diese Phase für die Betroffenen nur schwer auszuhalten ist. Daher ist diese Phase auch bekannt als das „Tal der Tränen“.

Ideen für wirksames Leitungshandeln:

  • empathisch um die Situation der Menschen in dieser Situation wissen
  • verständnisvoll und zugewandt auf die artikulierten Befürchtungen oder Wünsche eingehen
  • rasch für Unterstützung, Beratung oder Fortbildung sorgen
  • eine Perspektive anbieten/gemeinsam entwickeln, wie es weitergeht – dies kann auch eine gemeinsame Zielvorstellung/Vision sein

Phase 5: Ausprobieren und Suchen

Phänomen: 
die (subjektiv) wahrgenommene Kompetenz steigt langsam, sinkt aber hin und wieder

Erklärung/Erkenntnis:
Neue Verhaltensweisen werden ausprobiert, ausgewertet und angepasst.
Die Kolleginnen und Kollegen machen sich auf den Weg ins Ungewisse und fassen idealerweise neuen Mut und frische Hoffnung.
Diese Phase braucht ihre Zeit. 

Ideen für wirksames Leitungshandeln:

  • Kolleginnen und Kollegen bestärken und generell eine Kultur der Ermutigung etablieren
  • eine Fehlerkultur schaffen, d.h. Fehler nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern dazu ermutigen, Fehler zu machen – und gleichzeitig sicherstellen, dass alle Beteiligten aus den Fehlern gemeinsam lernen 
  • variierende Geschwindigkeiten zulassen

Phase 7: Übernahme

Phänomen: 
die (subjektiv) wahrgenommene Kompetenz übersteigt das Niveau vor dem Schock 

Erklärung/Erkenntnis: 
Erfolgreiche Verhaltensweisen und Methoden werden dauerhaft in das Handlungsrepertoire übernommen. Die Kolleginnen und Kollegen verspüren wieder eine schmerzhaft vermisste Selbstsicherheit und gehen mit gestärktem Selbstvertrauen in die Zukunft.

Ideen für wirksames Leitungshandeln:

  • weiterhin an der wertschätzenden Haltung festhalten und weiterhin stark auf Bestätigung und Wertschätzung achten
  • eine Feedback-Kultur aufbauen und langfristig strukturell verankern
  • Leitungsfeedback einholen
  • ein System kollegialer Hospitation etablieren
     
  • Erscheinungsdatum: 03.06.2020
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