Schon ein kleines überschaubares Projekt zu einem guten Ergebnis zu bringen, verlangt den Verantwortlichen im Bildungssystem häufig sehr viel ab. Um wie viel herausfordernder ist es da, so gut zu arbeiten, dass Schülerinnen und Schüler Tag für Tag überwiegend gerne zur Schule gehen und Selbstwirksamkeit erfahren. Wie können Schulaufsicht, Landesinstitute und Forschung Unterstützung anbieten, damit dies vor Ort gelingen und gestaltet werden kann? Sicher nicht, so viel ist klar, mit reiner Top-Down-Struktur. Trotzdem ist ein gewisses Maß an Steuerung vonnöten.

Prägende Steuerungsmodelle: zentral vs. dezentral

Seit den 1990er Jahren treten tradierte Steuerungsmodelle im Bildungssystem zunehmend zugunsten neuerer Ansätze in den Hintergrund. Es geht im Kern um ein Austarieren von zentraler oder dezentraler Steuerung, von Hierarchie und Autonomie – wie in der Übersicht von Erziehungswissenschaftler Michael Schratz idealtypisch dargestellt:

Zentrales Steuerungsmodell im hierarchischen Bezug

Abbildung: Schratz. In: Rolff/Schmidt 2002, S. 27/28

Dezentrales Steuerungsmodell im systemischen Bezug

Steuern auf Abstand

Durch die gesellschaftlichen Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten haben Schulen immer mehr Eigenverantwortung übernehmen müssen, um auf die wachsenden Veränderungen im Schulbetrieb reagieren zu können und eigene Profile und Strukturen aufzubauen. Dadurch hat der dezentrale Steuerungsansatz zunehmend an Bedeutung gewonnen. Anknüpfend daran haben Walter Goetze und Annikka Zurwehme den Begriff „Steuern auf Abstand“ eingeführt. Damit beschreiben sie das Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen, die „auf Abstand“ miteinander und zueinander agieren:

  • Bildungsverwaltung (Ebene 1) 
  • Schulleitung (Ebene 2) 
  • Lerneinheit/Klasse (Ebene 3) 

Wie das Steuern auf Abstand im komplexen Mehrebenensystem aussehen kann, haben Goetze und Zurwehme in Form einer Pyramide dargestellt.

Abbildung: nach Goetze/Zurwehme 2016, S. 6

Steuern als koordiniertes Entwicklungshandeln

Aber wie gelingt es, den vielschichtigen Veränderungen und den damit verbundenen Herausforderungen im Bildungssystem erfolgreich zu begegnen? In jedem Fall ist koordiniertes Handeln unabdingbar. Nur wenn die Verantwortlichen ihre Handlungen aufeinander abstimmen, wird Steuerung sichtbar und wirksam. Im Bildungssystem erfordert die Koordination bei der Vielzahl der Beteiligten vor allem ein Verständnis für unterschiedliche Arbeitsweisen auf den Systemebenen. Daher bedarf es einer Aufmerksamkeit für Übergänge bzw. Schnittstellen und vor allem der Verständigung auf ein gemeinsames Ziel, damit die gewünschte Entwicklung voranschreiten kann:

•    Auf welches Ziel arbeiten wir hin? 
•    Wer bringt was ein? 
•    Wer wirkt genau mit wem zusammen?
•    Wie sollen die Kommunikation, Transparenz und Kooperationskultur gestaltet sein? 
•    Wie finden die unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen Berücksichtigung?

Steuern bedeutet also Entwicklungshandeln zur Qualitätsentwicklung von Schule. Es bedeutet nicht, zentral entwickelte Programme auf die Einzelschule zu übertragen, sondern die einzelne Schule zu ermächtigen, es selbst zu machen. Als konkrete Ansätze für diesen Aufbau von Entwicklungskapazitäten (Capacity for Change) in den Schulen betont Hans-Günter Rolff die Einrichtung von Steuergruppen, Professionellen Lerngemeinschaften und Selbstevaluation (Rolff. In: Wirksame Schulleitung 2014, S. 31). 

Schnittstelle von Schulaufsicht und Schulleitung

Wie kann die Zusammenarbeit von Schulleitungen und Schulaufsicht die Qualitätsentwicklung befördern – und was brauchen sie dafür? Beide arbeiten jeweils nach einem Regelkreisdenken mit vier Komponenten: 
•    Planen, 
•    Durchführen, 
•    Evaluieren und 
•    (Weiter-)Entwickeln (Goetze/Zurwehme 2011, S. 8). 

Bei einer wirkungsvollen Zusammenarbeit liegen die Überschneidungen insbesondere bei der Zielsetzung, Planung der Meilensteine und Evaluation. Also zum Beispiel bei der Frage, wie es der Schule gelingen kann, Bildungsabsentismus oder die Schulabbrecherquote zu verringern und welche dazu gewählten Interventionen erfolgreich verlaufen sind. Eine gelingende Kooperation an der Schnittstelle von Schulaufsicht und Schulleitung basiert auf koordinierten Prozessen, Strukturen, Instrumenten und Routinen. Doch entscheidend ist auch, wie die beiden Steuerungsebenen miteinander im Gespräch sind und wie groß das gegenseitige Vertrauen ist. Hier setzt das Programm „LiGa – Lernen im Ganztag“ an und bringt Mitarbeitende der Schulaufsicht und Schulleitungen in Austausch- und Qualifizierungsformaten zusammen, damit sie gemeinsam an Schulentwicklungsthemen arbeiten und ihre Zusammenarbeit stärken.

Dieser Text ist in der Ausgabe 1/2020 „Wirksame Steuerung“ der Publikation „Leit-IDEEN – Impulse für Schulaufsicht und Schulleitung“ erschienen. In der Broschüre finden Sie auf Seite 14 eine Literaturliste.
 

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