Der Begriff Resilienz leitet sich vom lateinischen Wort „resilire“ ab, das so viel wie „zurückspringen“ oder „abprallen“ bedeutet. Er stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde und beschreibt die Fähigkeit eines Stoffes, nach einer Verformung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzukehren.

In der Psychologie spricht man von Resilienz vor allem als persönlicher Widerstandskraft, innerer Stärke oder der Fähigkeit, die eigene psychische Gesundheit auch in belastenden Situationen aufrechtzuerhalten oder danach schnell wieder herzustellen (vgl. DKJS 2022, S. 8). Auch viele andere Wissenschaften haben den Begriff definiert und erweitert, sodass Resilienz mittlerweile nicht mehr nur als Persönlichkeitsmerkmal, sondern auch als Eigenschaft von Organisationen oder Systemen betrachtet wird.

Die 7 Säulen der Resilienz

Die Resilienzforschung hat herausgefunden, dass sich persönliche Widerstandskraft erlernen lässt und ein Leben lang gestärkt und trainiert werden kann. Die Resilienz-Expertin Prof. Dr. Daniela Elsner hat dazu in der digitalen Impuls- und Austauschreihe von „LiGa – Lernen im Ganztag“ die sieben Säulen der Resilienz vorgestellt. Sie basieren auf den Faktoren zur Stress- und Krisenbewältigung, die ursprünglich von den US-amerikanischen Psycholog:innen Dr. Karen Reivich und Dr. Andrew Shatté erarbeitet wurden (vgl. Reivich, Shatté 2002).

Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Die Fähigkeit beschreibt die Überzeugung, selbst schwierige Aufgaben oder Probleme durch eigenes Handeln bewältigen zu können. Dazu gilt es, auf die eigenen Stärken zu schauen. Führungskräfte können diese Fähigkeit bei anderen fördern, indem sie ihnen vertrauen und ihnen etwas zutrauen.

Optimismus

Hierbei geht es um eine positive Grundhaltung nach dem Motto: Das Glas lieber halb voll als halb leer sehen. Dabei wird nichts beschönigt, aber man kann selbst schwierigen Lagen noch etwas Positives abgewinnen. Diese optimistische Haltung fördert einen gesunden Umgang mit Stress.

Ziel- oder Zukunftsorientierung

Wer sich klare Ziele steckt und diese überzeugt verfolgt, wird nicht so leicht von Stress und Krisen aus der Bahn geworfen. Gerade in Krisenzeiten sind Ziele wichtig, da sie Sicherheit und Orientierung bieten. Auch Teams können durch das Fokussieren auf gemeinsame Ziele anstrengende Phasen gut überstehen.

Kausalanalyse

Um aus Fehlern zu lernen, ist es notwendig, Situationen zu analysieren und Zusammenhänge von Problemen zu erkennen. Durch die Kausalanalyse können Gründe für Erfolge und Misserfolge zutreffend eingeschätzt werden. Dabei wird auch geschaut, ob das eigene Tun die Situation beeinflussen und Veränderungen bewirken kann oder nicht.

Emotionssteuerung

Wer diese Fähigkeit besitzt, nimmt seine Gefühle wahr und weiß, was zu tun ist, um sich z. B. bei Stress wieder zu beruhigen. Dafür wird die Situation neu bewertet und in Krisen- und Konfliktsituationen ein Perspektivwechsel vorgenommen.

Impulskontrolle

Resiliente Personen können Impulse unterdrücken und bestimmte Bedürfnisse verschieben. Sie arbeiten achtsam und konzentriert an Aufgaben und schaffen es, sich nicht ständig ablenken zu lassen. Impulskontrolle heißt nichts anderes als Disziplin.

Empathie

Die Kunst der Empathie ist das Fragenstellen und aktive Zuhören. Wer sich in die Gefühlswelt anderer hineinversetzen und ihnen Verständnis und Mitgefühl entgegenbringen kann, versteht ihre Motive und Verhaltensweisen und kann angemessen darauf reagieren.

eigene Darstellung © DKJS

Erfolgsfaktor Resilienz

Schulleitungen sind als Führungskräfte in der Verantwortung, nicht nur für ihre eigene Resilienz zu sorgen, sondern auch präventiv ein Umfeld zu erschaffen, das die Resilienz der Lehrkräfte und pädagogischen Mitarbeitenden sowie letztendlich auch der Schülerinnen und Schüler fördert. 

Die OECD hat 2018 in einer PISA-Sonderauswertung Resilienz als einen zentralen Indikator für Qualität und Chancengleichheit im Bildungssystem identifiziert. Laut der Studie kann vor allem ein positives Schulklima, das von einer offenen Kommunikation und vertrauensvollen Beziehungen geprägt ist, den Schulerfolg bei allen Schüler:innen fördern. Dazu trägt maßgeblich eine Schulleitung bei, der es gelingt, das Kollegium von der Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel zu überzeugen. Sie schafft dafür den nötigen Raum und motiviert die Beteiligten (vgl. OECD 2018, S. 9f).

Wirken auf verschiedenen Ebenen

Die Resilienzforschung unterscheidet im Arbeitsumfeld drei Ebenen, in denen Resilienz entwickelt werden und wirken kann: auf Ebene des Individuums, des Teams und der Organisation. Die US-amerikanische Wirtschaftsforscherin

Kathleen M. Sutcliffe hat dazu den Begriff „organisationale Resilienz“ geprägt und festgestellt, dass eine direkte und wechselseitige Abhängigkeit zwischen der Stärke und Wirksamkeit jeder einzelnen Person, der von Teams und der Resilienz einer Organisation als Ganzes besteht (vgl. Sutcliffe & Vogus 2003).

Verfügt eine Schule über Strukturen, die Resilienz auf allen Ebenen ermöglicht, ist es wahrscheinlicher, dass sich die Schulleitung, die Lehrkräfte und die einzelnen Schüler:innen stark und wirksam fühlen. Wenn andererseits viele resiliente Personen aus der Schulgemeinschaft gemeinsam handeln, stärkt das die Ressourcen der Schule und damit deren organisationale Resilienz.

„Keine Schule steht am Anfang“, sagte Schulentwicklungsforscherin Prof. Dr. Esther Dominique Klein beim Zukunftscamp des Deutschen Schulpreises im Mai 2022. „Jede Schule hat Stärken und Strukturen, die ihr Halt geben können und die sie nutzen kann, um noch resilienter zu werden.“ Aber viele Schulen müssten sich wahrscheinlich erst mal dieser eigenen Stärken bewusstwerden.

Genau an dieser Stelle kann die Schulaufsicht eine wichtige Rolle spielen: Sie kann mit stärkenorientiertem Blick dabei unterstützen, Potenziale und Ressourcen sichtbar zu machen oder neue Unterstützungsangebote zu schaffen.

 

Dieser Text ist in der Ausgabe 3/2022 „Resilienz“ der Publikation „Leit-IDEEN – Impulse für Schulaufsicht und Schulleitung“ erschienen. In der Broschüre finden Sie auf Seite 18 Angaben zur verwendeten Literatur.

  • Erscheinungsdatum: 14.12.2022
  • LiGa
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