In unserer zunehmend unbeständigen und komplexen Welt gibt es auch im Schulsystem immer häufiger Phasen der Ungewissheit, in denen genaue Vorhersagen oder Planungen nicht möglich sind. In solchen Situationen stößt die klassische Vorgehensweise mit ihrer kausalen Logik „Ziele setzen – Maßnahmen planen – handeln“ an ihre Grenzen. Um handlungsfähig zu bleiben und Schulentwicklung trotzdem aktiv gestalten zu können, ist eine neue Denkhaltung und Handlungslogik erfolgsversprechend.
Die Effectuation-Methode
Effectuation ist eine Logik des Denkens, Entscheidens und Handelns, die sich nicht an einem Ziel, sondern an den eigenen Mitteln orientiert. Sie basiert auf langjährigen empirischen Ergebnissen der globalen Entrepreneurship- Forschung. Die Kognitionswissenschaftlerin Prof. Saras Sarasvathy von der University of Virginia entwickelte Effectuation, nachdem sie das Denken und Handeln von erfolgreichen Firmengründern untersucht hatte und dabei eine Logik erkannte.
Die Effectuation-Logik ermöglicht es, in schwer einschätzbaren Situationen schneller raus aus dem Denken und Mutmaßen und rasch ins Handeln und Erfahren zu kommen. Anstatt lange den Weg für das große Ziel zu planen und dafür viel Zeit, Geld und Energie zu investieren, fokussiert man sich mit den eigenen Mitteln auf den nächsten machbaren Schritt und legt los.
Vier Grundprinzipien
Der Ansatz von Sarasvathy beruht auf vier Grundprinzipien, die der Effectuation-Experte Michael Faschingbauer wie folgt zusammenfasst:
Der Prozess: Denken, handeln, denken, handeln …
Werden die einzelnen Prinzipien aneinandergereiht, entsteht ein handlungsleitender Prozess. Dieser beginnt immer mit einem beliebigen Anlass zum Handeln, wie z.B. einem Problem, einem Missstand, einer Chance oder einer Idee. Zunächst richtet sich der Blick nach innen auf die verfügbaren Mittel: Wer sind wir? Was wissen wir? Was können wir? Und wen kennen wir? Daraus lassen sich verschiedene Handlungsoptionen ableiten. Es folgt das konkrete Handeln, bei dem nur das eingesetzt wird, was man bereit ist, zu verlieren.
Ein mögliches Scheitern gehört zum Prozess, genauso wie das Sammeln von Erfahrungen durch Ausprobieren. Veränderte Umstände, Zufälle oder Ungeplantes werden – wenn möglich – sinnvoll als Chancen genutzt. Dann gilt es andere zu finden, die bereit sind, mitzumachen. Wer dabei ist, bringt weitere Mittel in den Prozess ein und beeinflusst so die Zielrichtung des Vorhabens. Mit jeder neuen Partnerschaft erweitern sich die Möglichkeiten zum Handeln. Mit den neuen Mitteln und Zielvorstellungen beginnt nun der nächste Effectuation-Zyklus.
Die Logik wechseln
Mit dem Effectuation-Ansatz können Schulentwicklungsprozesse agil und situativ gestaltet werden. Das bedeutet aber nicht, das klassische Projektmanagement mit seiner kausalen Logik gänzlich zu ersetzen. Vielmehr kommt es darauf an, die Denkansätze gut miteinander zu kombinieren.
Effectuation kann am besten dann genutzt werden, wenn eine Situation noch sehr offen ist und noch keine genauen Ziele definiert werden können. Wenn das Vorhaben im Verlauf der Arbeit klare Konturen annimmt und Ziele konkreter werden, ist es sinnvoll, von der Effectuation-Logik wieder in die zielorientierte Planung zu wechseln.
Ausführliche Informationen und praktische Anregungen zur Effectuation-Methode finden Sie unter www.effectuation.at.
Dieser Text erschien in der Ausgabe 2/2022 „Agile Schulführung“ der Leit-IDEEN, einer Publikationsreihe von „LiGa – Lernen im Ganztag“.