Es gibt Kinder, die unter außerordentlich schlechten Bedingungen aufwachsen und sich – entgegen aller Erwartungen – erstaunlich positiv entwickeln. So zeigt sich in Zeiten der Pandemie auch im schulischen Bereich, wie unterschiedlich Kinder, aber auch Eltern, Lehrkräfte und Schulleitungen auf krisenhafte Situationen reagieren. Manche beeindrucken mit Gelassenheit, Energie und Kreativität – andere resignieren oder sind verunsichert und ängstlich.

Resilienz ist ein Schlüssel in der Persönlichkeitsbildung

Leugnen, Flucht oder Angriff sind klassische Antworten auf Bedrohung und Verunsicherung. Und sie können als Reflexe durchaus hilfreich sein. Doch um eine Krise zu bewältigen, braucht es darüber hinaus psychische Widerstandsfähigkeit. Diese sogenannte Resilienz ist unerlässlich, um schwierige Situationen und Herausforderungen im Leben bewältigen zu können.

Resilienz ist nicht nur wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern auch eine wesentliche Führungskompetenz und ein Merkmal erfolgreicher Institutionen. Dazu zählen schulische Führungskräfte und Mitarbeitende der Schulaufsicht ebenso wie die Schule als Ganzes.

Die sieben Säulen der Resilienz

Gemeinhin wird von den sieben Säulen der Resilienz gesprochen. Sie variieren je nach Verfasser, haben jedoch ähnliche Grundausrichtungen. Hier wird das Konzept der Neurowissenschaftlerin Katinka von Borries vorgestellt. Sie unterscheidet drei Grundhaltungen sowie vier Fertigkeiten und Fähigkeiten, die man benötigt, um optimales resilientes Verhalten zu zeigen.

Grundhaltungen

  1. Optimismus: mutig und hoffnungsvoll ein, Chancen ergreifen
  2. Selbstwirksamkeit: daran glauben, dass sie Situationen und Aufgaben selbst meistern und potenzielle Stressauslöser eine Herausforderung sind. Vertrauen in ihre Fähigkeiten.
  3. Achtsamkeit: das bewusste Leben im Hier und Jetzt

Fertigkeiten und Fähigkeiten

  1. Die Opferrolle verlassen: nicht den Kopf in den Sand stecken und Verantwortung übernehmen
  2. Ziel- oder Zukunftsorientierung: sich eine Vision aneignen, um die Zukunft zu gestalten
  3. Soziale Kontakte oder Netzwerkorientierung: sich ein Netzwerk aufbauen und es in Krisen nutzen
  4. Empathie. Eine andere Perspektive einnehmen: Resiliente Menschen akzeptieren Veränderungen, statt dagegen anzukämpfen. Für sie sind Veränderungen Teil des Lebens und Krisen werden als überwindbare Phasen angesehen.

Resiliente Führung – die Balance zwischen Erwartungen und Freiheiten

Resiliente Führung heißt, im Rahmen der Möglichkeiten eine Balance zu finden zwischen …

  • einer positiven Beziehungsgestaltung mit ausreichenden Freiheiten für die Mitarbeitenden und
  • fordernder Führung mit klaren Erwartungen und Zielen.

Führungskräfte benötigen eine gewisse innere Gelassenheit, um die Spannung zwischen Vertrauenserwartung und Vertrauensmissbrauch aushalten zu können. Es geht darum, bei Mitarbeitenden Selbstverantwortung für die Zielerreichung und für Interaktionen im Arbeitsumfeld zu fördern.

Magdalena Bathen-Gabriel hat in der Praxis sechs fördernde Verhaltensweisen bei Führungskräften identifiziert:

  • flexibel reagieren
  • Fehler als Lernchance sehen
  • Partizipation
  • Bereitschaft zur Weiterentwicklung anderer
  • realistischer Optimismus
  • Sinn geben

Erfolgsfaktoren resilienter Organisationen

Im Prozess der Lösungsfindung entwickelt die Organisation ihre Fähigkeit im Umgang mit schwierigen Herausforderungen weiter. Resilienz zeigt sich gerade nicht in ruhigen Zeiten, sondern dann, wenn Unsicherheit und Zweifel an der Tagesordnung sind – so wie aktuell in Zeiten der Pandemie. Resilienz ist ein entscheidender Schlüsselfaktor, um Veränderungen und Krisensituationen als Chance wahrzunehmen und diese gut, wenn nicht sogar gestärkt, zu überstehen.

Resilienz in Institutionen und Unternehmen beginnt bei den Führungskräften und stärkt die Resilienz von Teams und Mitarbeitenden. Denn: Je resilienter eine Führungskraft ist, desto resilienter sind auch ihre Mitarbeitenden. Über die individuelle Ebene hinausgehend ist es für organisationale Resilienz entscheidend, das „Wir“ zu stärken. Als Erfolgsfaktoren gelten hier:

  • Die Organisation ist flexibel und hat eine hohe Lernbereitschaft sowie eine Kultur der Anpassungsfähigkeit.
  • Die Organisation kennt ihre Schwachstellen, ist sich Unvorhersehbarem bewusst, antizipiert Bedrohungsszenarien.
  • Die Organisation kann rasch reagieren – durch geeignete Strukturen, klare Abläufe, Wachsamkeit auf Veränderung von außen oder innen, rasches internes Reagieren (Entscheidungen).
  • Die Organisation kann Reserven mobilisieren – finanzielle und personelle sowie Netzwerkressourcen.

Resiliente Schule

All dies lässt sich auch auf die Institution Schule anwenden. Nicht nur für schulische Führungskräfte ist Resilienz eine wichtige Fähigkeit, sondern ebenso für Lehrkräfte bis hin zu den Schülerinnen und Schülern.

Für Lehrkräfte ist ihre Resilienz im Schulalltag eine wichtige Kompetenz, die hilft, gelassener mit individuellen Verhalten von Kindern und mit klassendynamischen Konflikten umzugehen. Pädagoginnen und Pädagogen, die ihren Schülerinnen und Schülern diese Werte vorleben, unterstützen sie in einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung – und vermitteln über das reine Schulwissen hinaus grundlegende Ressourcen für ein selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Leben.

Resilienzförderung verändert den Blick der Lehrkräfte auf Kinder und Jugendliche. Eine Kultur der Bestärkung tritt an die Stelle der Bewertungskultur. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Kinder und Jugendliche darin bestärkt, neue Herausforderungen anzunehmen und Stress in Schule und Familie zu bewältigen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigte in einer PISA-Sonderauswertung auf, dass der Anteil an resilienten Schülerinnen und Schülern zwischen 2006 und 2015 rasant gestiegen ist. Im Jahr 2006 wurden knapp 25% der Schülerinnen und Schüler in Deutschland als resilient eingestuft, 2015 waren es 32%. Resilienz ist ein persönlicher Faktor, aber er ist erlernbar und macht die Auseinandersetzung damit sinnvoll.

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