Was brauchen Schulaufsichten, um im Kontext Schule erfolgreich zu beraten? Im Workshop auf dem LiGa-Fachtag „BEWEGEN – BEGEISTERN – BEWIRKEN“ lieferten Dr. Birgit Aswerus-Oberstein und Hermann Nosthoff konkrete Antworten auf diese Frage. Sie stellten vor, welche Haltung, Kenntnisse und konkrete Methoden für die Systemische Organisationsberatung wichtig sind. All diese Aspekte sind auch Teil der Fortbildungsreihe, die in Nordrhein-Westfalen von ihnen bereits umgesetzt wurde – und weiterhin angeboten wird.
„Es gibt ja nicht viele Fortbildungen für Schulaufsichten“, berichtet ein Teilnehmender der Fortbildungsreihe aus NRW. „Wir waren gemeinsam bei der Fortbildung – aus allen fünf Bezirksregierungen, vier Mal zwei Tage lang. Und wir können jetzt sagen, dass wir ein gemeinsames Verständnis von Schulaufsicht und Beratung haben.“ Die Fortbildung habe sie insgesamt näher zusammengebracht und wirke auf vielen Ebenen nachhaltig.
Personale Systemtheorie
Aus einer systemischen Perspektive kommt es vor allem auf das Zutrauen in die Menschen an, die beraten werden: Sie sind Teil eines Systems, und nur das System selbst – in diesem Fall das System Schule – kennt die Lösung. Inhaltlich kann es für die beratende Schulaufsicht darum gehen, agile Strategieprozesse zu begleiten, Veränderungen zu gestalten oder Konflikte zu klären.
Ausgangspunkt ist die Schule als soziales System. Hermann Nosthoff von Soencksen und Teilhaber stellte beim Fachtag sechs zentrale Ansatzpunkte vor, um Systeme zu beschreiben, zu verstehen und zu beeinflussen:
- Das System wird definiert durch die zugehörigen Personen.
- Die Personen betrachten und verstehen das System jeweils aus ihren sehr subjektiven Deutungen.
- In jedem System entwickeln sich (implizite und explizite) Regeln.
- Die Zusammenarbeit führt zu (produktiven und unproduktiven) Interaktionsmustern.
- Das System wird beeinflusst durch Umfeldfaktoren, (interne und externe) Rahmenbedingungen und (mehr oder weniger durchlässige) Grenzen.
- Die Entwicklungsgeschwindigkeit beeinflusst die Reaktionsfähigkeit des Systems. (Es braucht Bewegung!)
Passend zu diesen sechs Punkten können in einer Beratungssituation auf einem Schaubild folgende sechs Fragen beantwortet werden:
- Personen: Wer sind die relevanten Personen?
- Subjektive Deutungen: Was sind wichtige Haltungen/Überzeugungen in diesem System?
- Regeln: Welche Regeln bestehen? Was stellen sie sicher? Was verhindern sie?
- Interaktionsmuster: Welche förderlichen/hinderlichen Interaktionsmuster/Regelkreise haben Sie bereits wahrgenommen?
- Umfeld: Wie erleben Sie das materielle und soziale Umfeld? Welche Rahmenbedingungen sind wichtig? Wie durchlässig sind Grenzen der Gruppierungen/Subsysteme? Was ist förderlich, was hinderlich für Ihre Frage?
- Entwicklungsdynamik: Wie dynamisch erleben Sie Ihr System zurzeit? Wie sind bisherige Entwicklungen verlaufen? Wie können Sie die Dynamik nutzen?
GROW-Methode als effizientes Beratungs-Tool
Als besonders nützliches Tool hat sich aus Sicht der Teilnehmenden die GROW-Methode erwiesen. GROW ist ein Akronym und steht für Goal, Reality, Options und What next.
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Goal (Ziel):
Orientierungsphase -
Hier geht es um Ziele auf zwei Ebenen:
- Was ist das inhaltliche Ziel für das Thema?
- Was ist das Ziel des Gespräches? Was können wir heute hier erreichen?
- Reality (Realität): Klärungsphase
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In dieser Phase geht es darum, folgende Fragen zu klären:
- Wie stellt sich die Ausgangssituation dar? Was hat zu der herausfordernden Situation geführt?
- Was ist schon da? Was fehlt?
- Welche Lösungen wurden schon probiert? Mit welchem Erfolg?
- …
- Options (Optionen): Lösungsphase
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Zunächst gilt es zu schauen, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt. Dabei sollten Brainstorming-Regeln eingehalten werden, d. h. möglichst viele Ideen sammeln und die Situation offenhalten.
- Welche Möglichkeiten gibt es? Welche Optionen haben wir?
- Wie bewerten wir diese Optionen? Welche Chancen und Risiken haben die einzelnen Optionen?
- Welche Option ist am erfolgversprechendsten?
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What next (nächste Schritte):
Abschlussphase -
Abschließend sollte ein konkreter Aktionsplan erstellt werden:
- Was muss jetzt getan werden?
- Wer macht was bis wann?
- Was sind weitere Vereinbarungen?
Die GROW-Methode lässt sich als Problemlösezyklus verstehen, der hilfreich ist, um herausfordernde Problemlagen zielgerichtet in den Blick zu nehmen. Ein schulfachlicher Dezernent, der an der Fortbildung teilgenommen hat, berichtet von den Vorteilen dieser Methode: Die klare Struktur und Methode nutze er, um Schulleitungen zu beraten. Dies gebe sowohl ihm als auch den Schulen Sicherheit und schaffe kürzere Prozesse. „Auf die klare Struktur kann man sich fokussieren. Und das führt zu weniger Zeitbedarf.“
Beratung und Aufsicht – ein Widerspruch?
Doch nach wie vor haben Schulaufsichten auch eine kontrollierende Funktion. Wie lassen sich Beratung und Aufsicht im Arbeitsalltag miteinander vereinbaren? Ein Teilnehmer der Fortbildungsreihe schildert seine Erfahrungen: „Wir gehen in die Schulen und beraten auf Augenhöhe, doch trotzdem weiß jeder: Wenn wir sagen, es ist Schluss, dann ist Schluss. Alle wissen, dass wir auch mal Entscheidungen treffen müssen, die weh tun. Aber die Grenzen haben sich verschoben: Ich muss weniger kontrollieren und einschreiten, ich kann mehr beraten und stärken.“ Eine Kollegin ergänzt: „Jeder Mensch will seine Aufgabe gut machen. Das ist eine grundsätzliche Haltung, mit der wir in die Schulen gehen. Dann kann man auch mal sagen: ‚Ich verstehe sie, aber aus diesen und jenen Gründen bin ich anderer Meinung.‘ Beratung und Aufsicht – das muss aus meiner Sicht zusammengehen!“