„Beratung bedeutet: zielgerichtete Erarbeitung von Lösungen für klar umrissene und bereits benannte Probleme über einen freiwilligen und kooperativen Beratungsprozess zwischen Berater und Ratsuchenden. Nur wenn das Anliegen beim Ratsuchenden liegt, liegt eine Beratung vor. Wenn das Anliegen bei der Schulaufsicht liegt, handelt es sich um ein Überzeugungsgespräch, Klärungsgespräch, eine Anweisung etc.“
Detlef Kölln hat Qualitätsmerkmale von Beratung identifiziert, die vor allem die Haltung verdeutlichen, die mit der systemischen Beratung verbunden ist:
- Freiwilligkeit: Wichtig ist, dass der Ratsuchende an den Beratenden mit seinem Anliegen herantritt. Daraufhin kann der Beratende entscheiden, ob er sich auf die Beratung einlassen kann und will.
- Unabhängigkeit des Beratenden: Er ist nicht an formale Zwänge gebunden, muss Vorgaben oder Richtlinien folgen oder ist abhängig von den Beteiligten.
- Kongruenz, Akzeptanz, Empathie: Der Beratende gewährleistet jederzeit die Grundhaltungen der Beratung gegenüber dem Ratsuchenden. Damit ist eine konstruktive Bearbeitung der Anliegen und Probleme möglich.
- Intentionslosigkeit: Im Fokus stehen allein die Anliegen und Probleme des Ratsuchenden. Die Beratung ist allein Verbalisierungs-, Orientierungs-, Strukturierungs-, Klärungs- und Lösungshilfe für den Ratsuchenden. Dementsprechend hält sich der Beratende mit seinem Redeanteil zurück.
- Bewertungsfreier Raum: Alle Gedanken, Probleme, Ideen und Gefühle können offen geäußert werden. Der Beratende erteilt keine ungefragten und voreiligen Ratschläge und vermeidet gezielte Beeinflussung.
- Verschwiegenheit: Inhalte der Beratung werden absolut vertraulich behandelt.
- Selbstverantwortung des Ratsuchenden: Für die Auswahl der Inhalte und die Umsetzung der erarbeiteten Lösungen ist der Ratsuchende verantwortlich.
- Anerkennung der Subjektivität: Die Schilderung von Problemen und das Erarbeiten von Lösungen basieren auf der subjektiven Realität und Wahrnehmung des Ratsuchenden.
- Angemessener zeitlicher Rahmen: Der zeitliche Rahmen wird vorher gemeinsam vereinbart. Das Gespräch findet nicht unter Zeitdruck statt.
- Anmeldung und Klärung von Störungen: Jederzeit können beide Seiten Störungen oder Unklarheiten ansprechen und eine tragfähige Klärung herbeiführen. Gelingt keine Klärung, kann die Beratung jederzeit beendet werden.
- Klarheit, Transparenz und Offenheit in der Entscheidung für oder gegen Beratung: Der Beratende entscheidet sich vor Beginn der Beratung, ob er sie leisten kann und begründet dies offen.
Anliegen klären
Zu Beginn eines Gesprächs ist es erforderlich, das Anliegen zu klären. Was zunächst einfach klingt, ist manchmal ein längerer Prozess. Um welches Anliegen handelt es sich eigentlich und wen betrifft es? Existieren mehrere Anliegen und Probleme, sollte besprochen werden, welches das Hauptanliegen ist. Es ist nicht möglich, mehrere Hindernisse gleichzeitig auszuräumen. Wird der Versuch unternommen, alles in einem Gespräch „unterzubringen“, weiß häufig keiner der Beteiligten, worum es eigentlich geht – oder das Gespräch geht nicht in die Tiefe. Der Ausgang eines solchen Gespräches wird von den Beteiligten nicht als nachhaltig bezeichnet werden.
Ganz wesentlich ist dabei die Frage, ob es sich bei dem Anliegen des Ratsuchenden um ein eigenes oder ein fremdes Anliegen handelt. Der untenstehende Entscheidungsbaum für Gespräche von Detlef Kölln hilft bei der Festlegung.
Insgesamt ist es wichtig zu erkennen, dass in einem Gespräch nicht alles möglich ist. Daher muss das Anliegen deutlich kommuniziert werden und entschieden werden, ob erst das „eigene“ oder das „fremde“ Anliegen geklärt wird. Nicht selten wird jenes Anliegen als erstes geklärt, bei dem der Leidensdruck am größten ist oder der größere Veränderungswille besteht.
Der Beratende überprüft kontinuierlich während der Weiterarbeit das Anliegen. Mit dem Ratsuchenden kann es auch korrigiert oder präzisiert werden.
Gesprächsverlauf
Ein möglicher Gesprächsverlauf könnte damit beginnen, welches Ziel das Gespräch verfolgt (z. B. gemeinsame Lösung finden). Besteht kein Interesse daran, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, sollte sich die beratende Person freundlich für das Gespräch bedanken und verdeutlichen, dass sie die Entscheidung akzeptiert, das Gespräch aber beendet. Wenn sich die Gesprächsteilnehmenden nicht eindeutig äußern, sollte nachgefragt werden: „Sind Sie bereit für die Zusammenarbeit? Unter welchen Bedingungen?“.
Signalisiert der Gesprächspartner, an einer gemeinsamen Lösung interessiert zu sein, kann bei einem eigenen Anliegen der Standpunkt erörtert und geklärt werden oder bei einer Beratung mit dem Zuhören begonnen werden. Anschließend können die Beteiligten eine gemeinsame Lösung erarbeiten.
Zum Weiterlesen
- Pädagogisches Gesprächstraining
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Kölln, Detlef/Pallasch, Waldemar (2020): Pädagogisches Gesprächstraining. Lern- und Trainingsprogramm zur Vermittlung pädagogisch-therapeutischer Gesprächs- und Beratungskompetenz. Beltz Juventa, 10., überarbeitete Auflage.