Der Erfolg basiert laut den Bildungswissenschaftlerinnen vor allem darauf, dass in Alberta die einzelnen Ebenen des Systems – die Schulen, Schulaufsichten und Schulämter – horizontal und vertikal miteinander verzahnt sind. In ko-konstruktiver Zusammenarbeit fühlen sich alle Beteiligten gleichermaßen für die Erreichung von gemeinsam festgelegten Zielen verantwortlich. Aus der individuellen Entwicklung der Einzelschule wird eine Gemeinschaftsaufgabe für das gesamte System.
Datenerhebung und ihr Nutzen für Schule und System
Die Zielvereinbarungen werden auf Grundlage von jährlich erhobenen Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt. Die Datengewinnung zielt darauf ab, einen Überblick über die Stärken und Schwächen der Schüler:innen in festgelegten Kategorien zu erhalten und mit möglichen Maßnahmen anzusetzen. So können Lehrer:innen durch die gewonnen Informationen über den Leistungsstand beispielsweise passgenaue Fördermöglichkeiten anstoßen, gezielt mit den Erziehungsberechtigen ins Gespräch kommen oder die Unterrichtsgestaltung entsprechend anpassen.
Erhoben werden u. a. systemische Daten über den Leistungsstand der Schüler:innen, Schulabschlussquoten und soziodemografische Daten, wie etwa Informationen zur Schülerzufriedenheit, Elternpartizipation oder auch Schulkultur. Doch nicht nur aktuelle Daten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Mit jeder neuen Erhebung wird auch ein Blick auf das Vorjahr geworfen und ein Vergleich zum Durchschnitt der letzten drei Jahre vorgenommen. Denn in Kanada werden die Entwicklungsziele sowohl in den Schulen als auch auf Ebene der Schulämter für das aktuelle Jahr sowie die folgenden drei Jahre festgelegt und aufeinander abgestimmt.
An einem Tisch: Die Ebenen des Schulsystems lernen mit- und voneinander
Als „Family of schools“ werden in Alberta professionelle Lerngemeinschaften betitelt, die sich aus sechs bis zehn Schulen zusammensetzen und sich in regelmäßigen Austausch-runden beraten – u.a. zu den jeweils aktuellen Datenerhebungen. Wie auch die Schulämter, die einmal im Jahr zusammenkommen, legen auch die Schulen basierend auf den Daten ihre Ziele und Maßnahmen fest. Diese Ableitung erfolgt jedoch nicht data-driven, sondern data-informed. Die Entscheidungen basieren gleichermaßen auf den ermittelten Daten, dem Erfahrungswissen der Lehrkräfte sowie dem Handlungswissen aller Beteiligten. Grundlage für einen ergebnisoffenen Austausch bildet vor allem das Vertrauen in das gemeinsame, professionelle Arbeiten.
Auch auf vertikaler Ebene findet ein Austausch statt. Dieser stellt die Zielvereinbarungen zwischen Ministerium, Schulaufsicht und Schulleitung sicher. Gleichzeitig sorgen diese festen Abläufe und Zusammentreffen dafür, dass alle Akteur:innen stetig im Austausch miteinander stehen, voneinander lernen und sich weiterentwickeln.
Weiterlesen
- Klopsch, B; Sliwka, A.: Schulqualität als Resultat einer Verschränkung von Systemebenen - Datengestützte Schulentwicklung in der Provinz Alberta, Kanada. In DDS Beiheft 15 (Waxmann 2020), S. 58 - 73
- Artikel "Wellbeing - Ein Blick nach Kanada" zum Vortrag von Prof. Dr. Anne Sliwka auf dem bundesweiten Beratungsforum „Kooperation und multiprofessionelle Zusammenarbeit“ des Programms "Ganztägig bilden" der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Mai 2019