Eine "Schule für alle"

Die inklusive Ganztagsschule Lohmar hat es sich seit ihrer Gründung im Jahr 2012 zur Aufgabe gemacht, eine „Schule für alle” zu etablieren, indem Lern- und Unterrichtskonzepte auf eine vielfältige Schüler:innenschaft abgestimmt werden. Ein zentraler Baustein ist das Konzept der sogenannten „Lernzeiten”. Die Idee dahinter: Lernprozesse so zu individualisieren, dass Schüler:innen gemäß ihren persönlichen Voraussetzungen erfolgreich selbstverantwortlich lernen können und der Vielfalt in allen Jahrgangsstufen Rechnung getragen wird.

Lernzeit: Ein Baukastensystem

Zur Umsetzung eines solchen Konzepts müssen der Schulleiterin zufolge, sowohl „bewusst didaktisch-methodische, aber auch organisatorische Entscheidungen getroffen werden”. So sind die Lernzeiten bzw. das Lernbüro an der Gesamtschule Lohmar in allen Jahrgangsstufen mit vier Stunden fest im Stundenplan verankert und systematisch an den Fachunterricht angebunden. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen in dieser Zeit besonders gerecht zu werden, wurden außerdem flexibel nutzbare Lernumgebungen eingerichtet. Ob an speziellen Arbeitsplätzen auf dem Boden, allein in einer ruhigen Nische oder gemeinsam mit der Lerngruppe auf der Flurtreppe: „Lernen findet überall statt”, so Henseler. Entscheidend sei es, Gelegenheiten für alle Bedürfnisse zu schaffen. Das gelte in besonderem Maße auch für die Lerninhalte. Deshalb gehört es der Referentin zufolge auch zu den zentralen Elementen individualisierter Lernarrangements, dass Schülerinnen und Schüler ihre Inhalte selbst wählen können, ihren Lernprozess individuell organisieren, eigene Ziele setzen und dabei verschiedene Lernniveaus und Lernzugänge Berücksichtigung finden.

Strukturen für selbstgsteuertes Lernen

Auch ein orientierungsstiftender Rahmen mit entsprechenden Ritualen, Unterstützungssystemen und festen Abläufen ist integraler Bestandteil des Lernzeiten-Konzepts in Lohmar. Moderiert durch eine Schülerin oder einen Schüler hat die Lernzeit deshalb einen festen Ablauf und gliedert sich in Auswahlphase, Arbeitsphase, Reflexionsphase und Aufräumphase. In der Auswahlphase entscheiden sich die Lernenden für einen „Lernjob” und legen alle benötigten Materialien bereit. Dieser dient als Arbeitsgrundlage, beschreibt den Arbeitsauftrag klar und verständlich und bietet verschiedene Zugänge und Lernniveaus. Das gewählte Lernvorhaben wird dann im sogenannten „Wochenplaner” notiert und nach Ablauf der Arbeits- und Aufräumphase reflektiert. Der Planer bietet den Lernenden somit die Gelegenheit, das eigene Lernverhalten zu analysieren und entsprechende Schlüsse für zukünftige Vorhaben zu ziehen. Sollte während des Arbeitsprozesses Hilfe benötigt werden, kann durch ein Helfersystem mit Namensklammern um Unterstützung durch eine:n Lernpartner:in oder die Lehrkraft gebeten werden. Lehrkräfte werden somit in den Lernzeiten verstärkt zu Lernbegleiter:innen, die vornehmlich Hilfestellung beim Organisieren der „Lernjobs“ leisten, gezielt beraten und Lernerfolge herausstellen.

Tipps für den Schulentwicklungsprozess

Um ein solches Konzept des selbstgesteuerten Lernens an einer Schule zu implementieren, verweist die Schulleiterin nicht zuletzt auf die Notwendigkeit eines stetigen Schulentwicklungsprozesses. Damit dieser gelingt, müssten einige Bedingungen geschaffen werden, die sich ihrer Erfahrung nach als besonders förderlich erwiesen haben. Dazu gehört etwa die entschiedene Unterstützung durch die Schulleitung, eine möglichst große Gestaltungsfreude im Kollegium und ein transparentes Projektmanagement mit verbindlichen Absprachen. Auch die Arbeit in Teams hat sich Henseler zufolge als sehr fruchtbar herausgestellt. Das gemeinsame Entwickeln von Lernarrangements führe insgesamt zu einer Entlastung der Mitarbeiter:innen und erhöhter Zufriedenheit. Damit nach der Implementierung aber auch eine kontinuierliche Weiterentwicklung stattfinden kann, seien fest eingeplante Tage für gemeinsame Reflexionen und die strategische Weitergabe von Wissen an (neue) Kolleg:innen zu empfehlen. 

Schritt für Schritt

Den Schulen, die ein solches oder ähnliches Entwicklungsvorhaben realisieren möchten, rät die Impulsgeberin zunächst klein anzufangen. Man solle sich vorerst der Umsetzung eines Bausteins widmen, konkrete erste Schritte festlegen, mögliche Stolpersteine bedenken und diese Überlegungen in einem Plenum vorstellen. Schließlich sei die Einführung und Etablierung selbstgesteuerter Lernformen immer ein stetiger Prozess, der „Puzzlesteinchen für Puzzlesteinchen weiterentwickelt werden muss”, resümierte Henseler. Auch im anschließenden Austausch waren sich die Teilnehmenden nach Rückfragen zum Prozess und den Strukturelementen der „Lernzeiten” schlussendlich einig, dass Entwicklung immer seine Zeit braucht, aber jederzeit beginnen kann. Erst einmal „kleine Brötchen backen”, mutig starten und dann Schritt für Schritt hin zum größeren Gesamtpaket. Niemand ist perfekt und Fehler sind Helfer, so der Konsens. 

Weitere Informationen zum Konzept der Gesamtschule Lohmar finden Sie auf der Website der QUA-LiS NRW und der Pinnwand zum digitalen Tag der offenen Tür.
 

Der Praxiseinblick

Der Praxiseinblick fand im Rahmen des Schulentwicklungsnetzwerkes Altmarkt (SenA) statt. SenA ist ein Kooperationsprojekt der Serviceagentur Ganztag Sachsen-Anhalt, der schulfachlichen Referenten für die Sekundar- und Gemeinschaftsschulen der Region Altmark und dem Programm LiGa – Lernen im Ganztag Sachsen-Anhalt.

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