In der Krise besonders gefragt
Wir wissen es und es wird zu Recht immer wieder unterstrichen: Wenn es um Qualität geht, kommt es auf die Schule vor Ort an. Und auf die Leitung kommt es an. Es brauchte wohl nicht erst die derzeitige Pandemie, um zu realisieren, wie wichtig in den Schulen eine professionelle Pädagogik und eine vorausschauende Steuerung sind. Es sei die „Zeit der Exekutive“ hört man vielerorts – und das gilt wohl auch für das Bildungswesen.
In Zeiten wie diesen ist Steuerung besonders gefragt, um gleiche Lernbedingungen für alle zu ermöglichen und die immer notwendige und immerwährende Auseinandersetzung um die Qualität des individualisierten Lernens zu befördern. Die Steuerung liegt im komplexen Bildungsbereich bei vielen: beim Ministerium, bei der Schulleitung und – in einer Schlüssel- und Schaltrolle – bei der Schulaufsicht. Auch wenn sich die Schulgesetze der einzelnen Bundesländer in der Aufgabenbeschreibung in manchen Punkten durchaus unterscheiden, so ist die Zielsetzung, auf die gemeinsam hingesteuert wird, doch die Gleiche.
Kernaufgabe sind die inneren Angelegenheiten der Schule
Die Schulaufsicht und die Ministerien sind als staatliche Schulhoheit letztlich für die inhaltliche Ausrichtung, Organisation, Planung, Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens verantwortlich. Dabei geht es um Rechts-, Dienst- und Fachaufsicht. Während die Kommunen in der Regel für die äußeren Schulangelegenheiten zuständig sind, also im Kern für die Gebäude und deren Ausstattung, liegen bei den Ländern und damit den Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamten die inneren Angelegenheiten, also die Pädagogik.
Bildungserfolg ermöglichen und Bildungsgerechtigkeit herstellen
Was kann der Staat dafür tun, damit jedes Kind und jeder Jugendliche in Deutschland mit Erfolg und Freude die Schule besuchen und abschließen kann? Was kann der Staat tun, um Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit herzustellen und dies nicht allein der Schule vor Ort zu überlassen? Hier die Schulen nicht allein zu lassen, ist im Kern der Beitrag, den Schulaufsichten zu leisten haben. Die Länder haben in ihren Schulgesetzen verschiedene, aber in den Grundzügen ähnliche Regelungen getroffen, wie Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in Schulen erfolgen sollen. Dies begleitend umzusetzen ist Aufgabe der Schulausficht.
Steuerung ist nicht synonym mit Top-Down
Die Schulaufsicht in Deutschland gibt es schon lange, doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Steuerungsverständnis sich grundlegend gewandelt hat. Heute ist offenbar, dass ein alleiniger Top-Down-Ansatz von der ministeriellen Schulverwaltung bis zur Einzelschule mit den Schulrätinnen und Schulräten als Schnittstelle nicht besonders wirkungsvoll ist. Wenn „Auf die Schule kommt es an“ das geflügelte Wort ist und die Stärkung der Schulleitung gefragt ist, dann ist es nur folgerichtig, wenn nicht mehr das raunende, oft angstbesetzte „Der Schulrat kommt“ erklingt. Es kommt vielmehr „nicht der Leiter einer Behörde in die Schule, sondern ein Berater, der sich durch besondere Kenntnisse des Schulwesens auszeichnet und Erfahrungen mit Schulentwicklung hat“ (Oelkers 2017: 6). Unter anderem, weil er oder sie oft vor dieser Aufgabe selbst in verantwortlicher Position an einer Schule tätig war.
Qualitätsentwicklung, Innovation und Beratungsaufgaben nehmen zu
In manchen Schulgesetzen ist formuliert, was Schulen von der Schulaufsicht erwarten können. In anderen wird der Kontext zu Schulinspektion und Zielvereinbarung hergestellt, in vielen die Qualität von Schulen unterstrichen und in manchen der Aspekt der Beratung in den Vordergrund gestellt. Deutlich ist jedoch bei allen: Die Rolle der Schulaufsicht unterliegt spätestens seit den Debatten um neue Verwaltungsstrukturen und PISA einem tiefgreifenden Wandel. In allen Ländern wurden seitdem Qualitätsinstrumentarien entwickelt und der Ruf nach eigenständiger Schule immer stärker, zum Teil wurde sogar die Abschaffung der operativen Schulaufsicht diskutiert. Das (vorläufige) Ergebnis ist, dass sich in dem vielfältigen Aufgabenspektrum der Schulaufsicht die Waage immer mehr hin zur Beratung und zum fachlichen Gegenüber von Schulleitungen neigt.
Steuerung drückt sich in Koordination, Beratung und Unterstützung aus
Das Steuerungshandeln der Schulaufsicht ist dann eher als eine Handlungskoordination oder Unterstützung des Engagements einer Schule sichtbar. „Damit Innovationen im Schulalltag spürbar werden, müssen Lehrpersonen und Schulleitungen Innovationsideen aufgreifen und in Handlungen und Organisationsarrangements übersetzen“ (Altrichter 2011: 129). Auch die Schülerinnen und Schüler müssen Teil dieser Innovation sein und Kooperationspartner sollten ihre Unterstützung anbieten.
Dabei bleibt zu beobachten: Die Perspektiven und Sichtweisen von Ministerium, Schulaufsicht und Schule sind verschieden und damit einhergehend auch die Rollenselbst- und -fremdbilder sowie oft sogar die Aufgaben- und Problemwahrnehmung. Das ist nachvollziehbar und verständlich. Dennoch braucht es ein geteiltes Grundverständnis von den jeweiligen Rollen, den Führungsaufgaben und den bedeutsamen Handlungsfeldern, damit effizientes Handeln für den Bildungserfolg und das Wohlergehen von Schülerinnen und Schüler gelingt, und alle den Platz, an dem sie wirken, aufgabenentsprechend und selbstwirksam ausgestalten können. Transparente Kommunikation und regelmäßige Begegnung unterstützen dabei.
Literatur
- Wie steuert sich ein Schulsystem? Annäherung an einen Begriff mit Konjunktur
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Altrichter, Herbert (2011): Wie steuert sich ein Schulsystem? Annäherung an einen Begriff mit Konjunktur. In: Knoke, Andreas/Durdel, Anja (Hrsg.): Steuerung im Bildungswesen. Zur Zusammenarbeit von Ministerien, Schulaufsicht und Schulleitungen. VS Verlag: Wiesbaden 2011, S. 121-132.
- Brauchen selbstständige Schulen eine Aufsicht? Plädoyer für ein Unterstützungssystem
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Oelkers, Jürgen (2017): Brauchen selbstständige Schulen eine Aufsicht? Plädoyer für ein Unterstützungssystem, in: Lernende Schule 28/2017, S. 4-6.