Warum ist es für Mitarbeitende der Schulaufsicht wichtig, sich zu vernetzen?

Wolfgang Bott: Jeder, der allein an seinem Schreibtisch sitzt, läuft Gefahr, ein Einzelkämpfer zu werden – und jedes Problem, das neu auf seinem Tisch landet, als ein neues Problem zu begreifen. Auch aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass es gar nicht einfach ist, den Vorgesetzen zu fragen, wenn man etwas nicht weiß. Man hat Sorge, dass es so rüberkommt, als könne oder wüsste man etwas nicht. Den Chef zu fragen ist nur möglich, wenn diese Beziehung außerordentlich gut und vertrauensvoll ist. Davon kann man nicht grundsätzlich ausgehen.

Um als Schulaufsicht gut arbeiten zu können ist es daher wichtig, dass es eine Art kollegiale Rückmeldemöglichkeit gibt. Das geht manchmal in den eigenen Behörden, erfordert manchmal aber auch die Vernetzung über die eigene Behörde hinaus, beispielsweise wenn Personen mit ähnlichen Aufgabenbereichen nicht in einem Amt zusammensitzen. 

Welche Vorteile bietet aus Ihrer Sicht dieser kollegiale Austausch?

Wolfgang Bott: Selbst innerhalb eines Landes brauche ich ein informelles Netzwerk, um gut zu sein. Ich habe in selbstorganisierten Runden selbst erlebt, wie hilfreich es ist, wenn jeder seine Probleme einfach auf den Tisch packen und besprechen kann. Denn die Kolleginnen und Kollegen haben ähnliche Probleme – und wenn der eine schon eine Lösung hat, braucht der andere sie nicht mehr neu erarbeiten. Das ist entlastend und man merkt: Ich bin nicht allein auf weiter Flur! 

Gibt es denn bereits genug Vernetzung dieser Art?

Wolfgang Bott: Es kann auf Landesebene nie genug informelle Kontakte geben. Daher halte ich es nur für klug, solche informellen Netzwerke zuzulassen. Die Tendenz, es zuzulassen, ist jedoch von Land zu Land unterschiedlich. Das hängt nicht zuletzt davon ab, inwiefern es von der obersten Ebene gewollt ist und gefördert wird. Je mehr Vertrauen die Vorgesetzen in die unteren Ebenen haben, desto eher wird ein solcher Austausch meiner Meinung nach zugelassen.

Diese Form der Vernetzung ist sehr dienstbezogen. Wie steht es außerhalb des Dienstes um die Vernetzung der Schulaufsicht in Deutschland?

Wolfgang Bott: Die Schulaufsicht ist eine vergleichsweise kleine Gruppe innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Wenn diese Gruppe sich nicht selbst organisiert – dann nimmt sie niemand wahr. Es ist also auch eine standespolitische Vernetzung wichtig, auch über die Landesgrenzen hinweg. In vielen Bundesländern gibt es daher Schulrätevereinigungen, um auch über den Dienst hinaus Gehör zu finden. Dachverband dieser Landesvereinigungen ist die KSD – die Konferenz der Schulaufsicht in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar gibt es daneben auch andere Vereinigungen und Gewerkschaften, in denen die Schulaufsicht vertreten ist, doch sie bildet dort nur eine sehr kleine Gruppe, die kaum wahrgenommen wird.

Sie sind seit vielen Jahren stellvertretender Vorsitzender dieses Dachverbands der Schulrätevereinigungen. Warum ist es trotz aller Unterschiede in den einzelnen Ländern sinnvoll, sich länderübergreifend zusammenzuschließen?

Wolfgang Bott: Die Themen und Probleme in allen Ländern sind nicht identisch, aber sie sind irgendwie ähnlich und vergleichbar. Und daher macht es Sinn, dass wir im Rahmen der KSD eine Plattform haben, um uns zu treffen, uns auszutauschen – und uns Gehör zu verschaffen. Seit Mitte der neunziger Jahre gibt es nicht nur die jährlichen Delegiertenversammlungen, sondern auch jeweils einmal pro Jahr einen gemeinsamen Workshop. Zu unserer eigenen Fortbildung und Vergewisserung setzen wir uns dabei mit aktuellen Themen auseinander, die uns bewegen. Davon nehmen die Teilnehmenden immer viel mit.

Welche sind die Themen, die Sie zuletzt dort bearbeitet haben?

Wolfgang Bott: Vor drei Jahren ging es um einen Abgleich unserer Tätigkeitsschwerpunkte. Im Jahr darauf haben wir uns damit befasst, welche Kompetenzen wir dafür benötigen. Und in diesem Jahr wird es darum gehen, wie wir uns aufstellen müssen, damit wir die Aufgaben, die in der Zukunft von uns zu erledigen sind, gut bewältigen können. Denn die Aufgaben nehmen zu – doch die Anzahl der Stellen bleibt gleich oder wird geringer. Daher müssen wir schauen, auf welche Aufgaben wir verzichten können, damit wir unsere Arbeit weiterhin gut machen. Und das ist eine Forderung, die man nur gemeinsam an vielen Stellen an die Politik herantragen kann. Ob wir damit etwas erreichen? Klar ist: Allein geht es gar nicht, gemeinsam geht es besser.


Wie schätzen Sie denn die Bereitschaft ein, sich für die Berufsgruppe zu engagieren?

Wolfgang Bott: Auf der einen Seite wird individuell sehr wohl darüber geklagt, wie belastet man doch sei. Auf der anderen Seite fehlt an vielen Stellen das Engagement, das ja perspektivisch zur Entlastung führen könnte. Ich nehme wahr, dass die Bereitschaft, sich standespolitisch zu engagieren, in den vergangenen Jahren eher abgenommen hat. 

Was ist für Sie persönlich der größte Nutzen, den Sie aus der bundesweiten Vernetzung ziehen?

Wolfgang Bott: Der Blick über den Tellerrand ist ungeheuer hilfreich. Durch die bundesweite Vernetzung konnte ich in der Vergangenheit schon sehr oft hilfreiches Wissen abholen – und auch mein Wissen an Kolleginnen und Kollegen, die mich um Rat gebeten haben, weitergeben. Das ist eine Win-Win-Situation.

Zur Person

Dr. Wolfgang Bott war über 20 Jahre als Jurist in der Schulaufsicht in Hessen tätig und anschließend als Referatsleiter im Kultusministerium für Staatliche Schulämter zuständig. Er hat an Fortbildungen für Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamte in mehreren Bundesländern mitgewirkt. Als stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der Schulaufsicht in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (KSD) macht er sich für die bundesweite Vernetzung der Schulaufsicht stark. Im vergangenen Jahr hat er zudem mit dem Buch „Die Praxis der Schulaufsicht“ (Raabe Verlag) ein Standardwerk veröffentlicht.

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