Wenn Schulen junge Menschen auf eine Zukunft vorbereiten sollen, die wir noch nicht kennen, dann ist ein Zehnjahresplan keine adäquate Lösung. Deutlich sinnvoller erscheint es, in kleinen Schritten voranzugehen, dabei immer wieder Neues zu lernen und Lösungen kontinuierlich anzupassen. Besonders in den vergangenen Jahren war deutlich spürbar, dass es neue Herangehensweisen braucht, um herausfordernden Situationen zu begegnen. Doch die bisherigen Strukturen rund um Schule sind auf Stabilität ausgerichtet und bremsen einen schnellen und flexiblen Umgang mit Problemen, Krisen und gesellschaftlichen Veränderungen. 

Agilität ist jedoch kein Allheilmittel: „Es kann nicht darum gehen, zwanghaft alles agil zu machen, weil es modern scheint. Es geht darum, in bestimmten Situationen und Umfeldentwicklungen, die von Komplexität und Transformation geprägt sind, agile Handlungsoptionen zu kennen bzw. zu lernen.“ (Lévesque in: Kantereit et al. 2021, S. 31).

Was kann agile Schulführung?

Ziel einer agilen Schulführung ist es, die Anforderung eines Schulalltags nach Stabilität zu bedienen ohne als Gesamtes zu starr zu sein. Der Schweizer Organisationsberater Menno Huber nennt das „bewegliche Stabilität“. Organisationen sollen wandlungsfähig und lebendig bleiben, indem Bestehendes in Frage gestellt und Veränderungen zukunftsorientiert und mit kreativen Methoden in Angriff genommen werden (Huber 2019, S.18).

Aber wie arbeitet und führt man nun agil? Was allgemein für Schulentwicklungsprozesse gilt – es gibt kein ,one size fits all‘ – gilt genauso für einen Wandel hin zu einer agilen Organisation. Jede einzelne Schule entwickelt ihre eigenen Logiken. Es gibt daher kein einheitliches Schema, nach dem alle vorgehen müssen. Es gibt aber eine Reihe von Ansatzpunkten (Träutlein/Jesacher-Rößler 2019, S.20).
 

Sechs Prinzipien agiler Schulführung

Die sechs Prinzipien agiler Schulführung nach Menno Huber (2019) lassen sich auf einzelne Schulen wie auch auf das Schulsystem als Ganzes anwenden. Sie basieren auf der Annahme, dass sich Organisationen dann erfolgreich führen lassen, wenn die Haltung der Führung auf allen Ebenen kongruent ist. Im besten Fall finden die Prinzipien sich also in Schule, Behörde und Verwaltung wieder.

Paradoxien managen

Agile Führung ist sich der Paradoxien in ihrer Organisation bewusst und thematisiert sie. Sie hält Widersprüchlichkeiten aus, ohne gleich eine Entscheidung zu fällen.

Der Alltag von Leitungskräften ist von Widersprüchlichkeiten geprägt. Es gibt selten die eine richtige Lösung. Hier ist Ambiguitätstoleranz gefragt, also zunächst das Aushalten von sich widersprechenden Gegebenheiten. Ein erster Lösungsansatz kann die Kommunikation über die Situation sein. Allen muss die Unmöglichkeit einer einzigen richtigen Entscheidung bewusst sein. Normalerweise wird eine Entscheidung für das eine oder das andere getroffen. Oft sind aber beide Alternativen sinnvoll. Eine Person kann nur eine Option umsetzen, wohingegen mehrere Personen verschiedene Dinge gleichzeitig tun können. „Eine Organisation versetzt sich also durch Arbeitsteilung in die Lage, sowohl das eine als auch das andere und zusätzlich weitere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen.“ (Huber 2019, S.20). Dafür braucht es Koordination und Steuerung, also Führung.

Projektarbeit in kleinen Schritten

Agile Führung sorgt für ein gleichmäßiges Tempo in der Schulentwicklung auf unbegrenzte Zeit, ohne die Mitarbeitenden zu überfordern. Agiles Projektmanagement ersetzt langfristige Planungen durch die Orientierung an einem Zukunftsbild und dem Prozess sowie durch Projektarbeit in kleinen Schritten.

Um gemeinsam agieren zu können, braucht es in Organisationen eine gemeinsam entwickelte und getragene Vision von der Zukunft, an der sich alle orientieren können. Sie sollte nicht zu detailliert sein, um ausreichend Spielraum für Unvorhergesehenes zu lassen. Bei der Umsetzung ist darauf zu achten, dass nur so viele Projekte angegangen werden, wie neben dem Tagesgeschäft zu bewältigen sind. Durch kleinschrittige Prozesse, in denen immer nur der nächste Schritt geplant und umgesetzt wird, können Veränderungen integriert und Prozesse flexibel angepasst werden. Das ist hingegen bei langfristigen Planungen nicht möglich und sorgt bei den Beteiligten häufig für Frust.

 

Fokus auf Schul- und Unterrichtsqualität

Die Mitarbeitenden in einer zukunftsfähigen Schule orientieren sich an einer gemeinsamen pädagogischen Grundhaltung.

Neben dem gemeinsamen Zukunftsbild ist die pädagogische Haltung für gute Qualität in Schulen entscheidend. Diese Grundhaltung sollte innerhalb der Organisation übereinstimmen und so einen Gestaltungsspielraum für jeden Einzelnen definieren. Dabei ist es wichtig, die pädagogische Haltung fortlaufend zu thematisieren und neuen Mitarbeitenden von Anfang an eine entsprechende Einführung zu geben.

Veränderungen erkennen und aufgreifen

Zukunftsfähige Schulen verfügen über Beobachtungs- und Führungsinstrumente, mit denen sie interne und externe Veränderungen wahrnehmen und aufgreifen.

Auf Veränderungen kann man nur reagieren, wenn man sie kennt. So ist es für agile Schulen von Bedeutung, die Schule selbst sowie das nähere und weitere Umfeld – bis hin zur ganzen Gesellschaft – genau zu beobachten. Hilfreich ist dabei, regelmäßig Daten heranzuziehen (siehe Leit-IDEEN „Datengestützte Schulentwicklung“) und aktuelle Forschungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage zu nutzen. So können zum Beispiel Effekte von Interventionen überprüft oder der Ressourceneinsatz angepasst werden.

Selbstorganisation und Zusammenarbeit fördern

Agil geführte Schulen geben sich eine bewegliche Stabilität durch schlanke Strukturen mit kleinen pädagogischen Teams und kurzen Entscheidungswegen.

Das Aufteilen von Schulen in kleine Einheiten selbstorganisierter pädagogischer Teams mit Entscheidungs- und Finanzkompetenz ermöglicht agiles Arbeiten und fördert das Engagement. Diese Struktur bedarf Koordination und Rahmensetzung durch die Führung. Verbindliche Prozesse regeln die Zusammenarbeit der Teams und werden regelmäßig reflektiert und angepasst. Das alles gilt auch für das gesamte Bildungssystem. Die kleineren Einheiten sind dann die Schulen mit größtmöglichen Entscheidungsbefugnissen. „Es besteht eine klare Rollenverteilung zwischen der operativen Leitung einer Schule, der strategischen Führung durch die politischen Organe und der Bildungsverwaltung als Dienstleisterin.“ (Huber 2019, S. 27)

Komplexität reduzieren

Die agile Schulführung ist sich der Komplexität von Schulen bewusst und reduziert sie, ohne unzulässig zu vereinfachen.

Eine Schule mit all ihren Prozessen und allen direkten und indirekten Beteiligten ist ein hoch komplexes System. Gleichzeitig ist ein Ziel agilen Arbeitens, Dinge zu vereinfachen und so überhaupt erst bearbeitbar zu machen. Beim kleinschrittigen Vorgehen ist es oft erfolgsentscheidend, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.

Dieser Text ist in der Ausgabe 2/2022 „Agile Schulführung“ der Publikation „Leit-IDEEN – Impulse für Schulaufsicht und Schulleitung“ erschienen. In der Broschüre finden Sie auf Seite 18 Angaben zur verwendeten Literatur.

  • Erscheinungsdatum: 19.06.2022
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