Zahlreiche Schulentwicklungsprojekte sorgen an der Schule für ein Klima, in dem Professionelle Lerngemeinschaften entstehen können. Das Herz der Schulentwicklung ist die Schulleitungsgruppe. Allein würde sie es auf keinen Fall schaffen, sagt die Schulleiterin Heike Herrmann. „Die Schulleitungsgruppe ist für mich unwahrscheinlich entlastend, weil Entscheidungen auf vielen Schultern getragen werden, Verantwortlichkeiten klar abgesteckt sind und die Personalräte bei dieser Sitzung mit dabei sind.“ In dieser erweiterten Schulleitung finden sich wöchentlich fünf Mitarbeitende mit klaren Zuständigkeiten zusammen.
Viele Formen der Zusammenarbeit
Gelegenheit für gemeinsame Diskussion und Reflexion der eigenen Praxis bieten an der Gemeinschaftsschule die Besprechungen in Jahrgangsteams. Hier finden die Lehrkräfte einmal pro Woche für 30 Minuten verlässlich Zeit – zur Fallbesprechung, Unterrichtsentwicklung oder zum Thema Evaluation. Kurzprotokolle ermöglichen der Schulleitung einen schnellen Blick in die aktuellen Themen und Fragestellungen. Wenn der Wunsch besteht, nimmt die Schulleitung an diesen Treffen teil. Mit der Abschaffung des nach Fächern getrennten Unterrichtsstoffes wurden die Fachschaften durch Arbeitsbereiche – wie freies Lernen oder Projektlernen – ersetzt. Die Kolleginnen und Kollegen diskutieren dort in ihren jeweiligen Teams. Eine besondere Form der Zusammenarbeit entstand während der Corona-Zeit im Frühjahr 2020. In Vorbereitung auf die Prüfungen der 10. Klassen nach dem ersten Lockdown etablierte sich ein festes Team, um die Schülerinnen und Schüler individuell zu begleiten. In kollegialer Zusammenarbeit waren die Lehrkräfte ausschließlich auf den Lernerfolg dieser Schülerinnen und Schüler fokussiert. Erfreulicherweise fielen die Prüfungsergebnisse erstmals um eine halbe Note besser als der Landesdurchschnitt aus. Gut möglich, dass der Lernerfolg auf die Teamarbeit zurückzuführen ist. „Das machen wir in diesem Jahr auf jeden Fall wieder genauso. Es wird sogar von Lehrern, Eltern und Schülern eingefordert“, so die Schulleiterin.
Einführung des selbstorganisierten Lernens
Als Heike Herrmann vor sechs Jahren als Schulleiterin an die Ganztagsgemeinschaftsschule kam, hatte ihr Vorgänger bereits den Weg geebnet. „Ich bin auf ein Kollegium gestoßen, das offen und bereit für Veränderungen war“, berichtet Heike Herrmann. Dennoch war die Einführung des selbstorganisierten Lernens ein langer Prozess. Mit der Frage „Wie kann selbstorganisiertes Lernen an unserer Schule umgesetzt werden?“ etablierte sich rund um die Schulleitungsgruppe eine Professionelle Lerngemeinschaft. Dabei setzte die Schule nicht nur auf die eigene Expertise, sondern schaute auch über den Tellerrand. „Die Idee des selbstorganisierten Lernens ist ja nicht von mir. Die habe ich mir auch nur von anderen Schulen abgeguckt. So sind wir mit fünf Kollegen, die von der Idee begeistert waren, herumgefahren und haben uns die Modelle an anderen Schulen angesehen.“ Danach brachte Heike Herrmann eine konkrete Konzeptvorlage in die Schulleitungsgruppe ein. Alle waren eingeladen, das Konzept weiterzuentwickeln. Die Mitglieder der Schulleitungsrunde trugen die Konzeptidee dann als Multiplikatoren in die Jahrgangsteams, die daran weiterarbeiteten. So ein Prozess von der Idee zur Umsetzung könne bis zu zwölf Monate dauern, erklärt die Schulleiterin. Erst dann komme die Erprobungsphase. „Ich habe sehr gute Erfahrungen mit einem Probejahr gemacht. Wir probieren das jetzt ein Jahr und danach gucken wir: Was hat funktioniert und was nicht? Wir sind bereit, das zu verwerfen. Aber wir können über nichts entscheiden, was wir nicht probiert haben. Das Probejahr ist Gold wert.“ Der Entwicklungsprozess ist damit nicht abgeschlossen: „Das ist nie fertig. Die Aufgabe ist es, dass das stets evaluiert wird“, so Heike Herrmann. Nur so lässt sich die eigene Unterrichtspraxis weiter erforschen und die Wirksamkeit des Tuns erfassen.
Entlastung und Akzeptanz
Schulentwicklung braucht Zeit – und „die Professionellen Lerngemeinschaften sind sehr zeitaufwändig“, sagt Schulleiterin Heike Herrmann. „Ich weiß, andere Schulen machen das daher nicht. Doch der Gewinn ist viel größer als die investierte Zeit, weil man sie anderswo wieder einspart.“ Gerade neue Kolleginnen und Kollegen empfinden die Reflexion der eigenen Praxis als Entlastung. Diese Beobachtung macht die Schulleiterin auch auf der Beziehungsebene: „Es ist ein ständiges Rückversichern und verbessert die Teamfähigkeit. Keiner fühlt sich übergangen, weil viel abgesprochen wird.“ Dieses kollegiale Miteinander führt zu einer höheren Akzeptanz bei den Schülerinnen und Schülern. „Die Schüler merken, dass Lehrerinnen und Lehrer einheitlicher handeln, dass es abgesprochen ist und dass es von allen mitgetragen wird.“ Die Verantwortlichkeiten in der Schule sind transparent und können von den Schülerinnen und Schülern gezielt genutzt werden.
Schule als lernende Organisation
Professionelle Lerngemeinschaften setzen eine offene und reflexive Haltung voraus. Sie arbeiten nach dem Prinzip, voneinander und miteinander zu lernen und die eigene Praxis zu reflektieren. Die Schulleiterin bringt es auf den Punkt: „Man muss sich in die Karten gucken lassen. Und man darf kein Eigenbrötler sein.“ Die Beteiligten leben das Selbstverständnis, dass auch sie Lernende sind. Grundlage dafür ist der Mut, Fehler zu machen und um Hilfe zu bitten. Ohne gegen- seitigen Respekt und Vertrauen funktioniert es nicht. Diese Kriterien bringt Heike Herrmann bei der Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern daher zur Sprache: „Wenn sie jetzt schon merken, das wäre nichts für sie, dann kommen wir nicht zusammen.“ Nur wenn ein Großteil des Kollegiums diese Offenheit mitbringt, gelingt eine tragfähige Schulentwicklung.